§ 35 Wahl und Abberufung der Bezirksamtsmitglieder

Absatz 1: Die Bezirksverordnetenversammlung wählt die Mitglieder des Bezirksamts für die Dauer der Wahlperiode (§ 5).

  1. Die Vorschrift bezieht sich auf die von der BVV durchzuführenden Wahlen (ausführlich § 16) und ergänzt sie um die Wirkungsdauer. Diese umfasst die der Wahlperiode, während ursprünglich zur Gewährleistung einer gewissen personellen Kontinuität1Mudra, Anmerkung zu § 35 Abs. 1. eine sechsjährige Wahlperiode2Vgl. Bezirksverwaltungsgesetz vom 30. Januar 1958 (GVBl. S. 126); die Änderung erfolgte durch § 10 des Gesetzes über die Rechtsstellung der Bezirksamtsmitglieder vom 12. Juli 1960 (GVBl. S. 652). vor-gesehen war. Jeder gewählten Person ist unter Berücksichtigung der Konstituierungsnorm (aus-führlich § 34) für diese Dauer unverzüglich eine Ernennungsurkunde zur Beamtin bzw. zum Beam-ten auf Zeit durch d. BV-Vorst. (§ 2 Abs. 2 BAMG) auszuhändigen (§ 8 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG, § 1 Abs. 1 Satz 3 BAMG).
  2. Ist eine Neuwahl zum BA im Laufe einer Wahlperiode erforderlich, weil das gewählte Mitglied in den Ruhestand versetzt wird (z. B. durch Vollendung des 65. Lebensjahrs), begegnet ein Zeitpunkt der Sitzung der BVV vor dem Termin, an dem dieser Sachverhalt eintritt, dann keinen Bedenken, soweit er im zeitlichen Zusammenhang bleibt und das (zukünftige) Wirkungsdatum zum Ausdruck kommt. Soweit ein solcher temporärer Abstand zwischen dem Wahlakt und dem Beginn der Amts-periode liegen soll, muss ein gewichtiger sachlicher Grund erkennbar sein, um den Rahmen der Unverzüglichkeit nicht zu überschreiten. Regelmäßig ist die Vermeidung einer längeren Phase des Kollegialorgans mit weniger als sechs Mitgliedern als eine solche hinreichende Begründung anzu-sehen.
  3. Eine Regelung über die Form der Wahl besteht nicht; regelmäßig enthalten die GO-BVV aller-dings Gebote über das Erfordernis einer geheimen Abstimmung. Darüber hinaus erfolgt sie da-nach als Einzelwahl (ausführlich Rdnr. 11) durch entsprechend vorbereitete Stimmzettel. Gewählt ist, wer mehr Ja- als Neinstimmen auf sich vereinigt, Enthaltungen bleiben unberücksichtigt. Dies entspricht den allgemeinen Vorschriften über Abstimmungen in der BVV (ausführlich § 8), da eine lex speciales nicht besteht. Erhält eine vorgeschlagene Person nicht die erforderliche Stimmen-zahl, ist die Wiederholung der Abstimmung in derselben Sitzung nicht ausgeschlossen, die Zahl der Wahlgänge ist nicht normiert.
    • (3a) Mitunter wurde davon ausgegangen, dass ein Mitglied der BVV, das selbst Gegenstand eines Wahlvorschlags zum Mitglied des BA ist, dem Besorgnis der Befangenheit (§§ 20 VwVfG) unter-liegt und von der Beteiligung am Wahlakt ausgeschlossen sei3Michaelis/Krammerbauer in Driehaus, VvB, Art. 69 Rn. 2, 4. Auflage.. Diese Auslegung ist jedoch norma-tiv versperrt (ausführlich § 16).
    • (3b) Zu den Rechtsfolgen nach der verfassungsgerichtlich angeordneten Wahlwiederholung (aus-führlich Vor § 1) hat der Gesetzgeber eine lediglich in der 19. Wahlperiode des Abgeordnetenhau-ses geltende besondere Regelung getroffen (Anlage).Absatz 2: Das Bezirksamt soll auf Grund der Wahlvorschläge der Fraktionen entsprechend ihrem nach dem Höchstzahlverfahren (d‘ Hondt) berechneten Stärkeverhältnis in der Bezirksverordnetenversammlung gebil-det werden. Bei der Wahl der Bezirksbürgermeisterin oder des Bezirksbürgermeisters gelten gemeinsame Wahlvorschläge von mehreren Fraktionen als Wahlvorschläge einer Fraktion; diese sind auf die Wahlvor-schlagsrechte der an dem gemeinsamen Wahlvorschlag beteiligten Fraktionen anzurechnen. Bei Gleichheit der Höchstzahlen entscheidet das auf der Grundlage der erzielten Wählerstimmen nach dem Höchstzahlver-fahren (d‘ Hondt) berechnete Stärkeverhältnis. Ergeben sich danach erneut gleiche Höchstzahlen, so ent-scheidet das Los.
  4. Das Wahlverfahren hat hohe kommunalpolitische Bedeutung, war deshalb immer wieder Ge-genstand politischer Erörterungen, führte zu diversen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen und wurde mehrfach novelliert (ausführlich Vor § 1). Die Vorschrift von Satz 1 ist im Zusammen-hang mit der entsprechenden Verfassungsnorm zu sehen (Art. 74 Satz 1 VvB). Da sich die Mehr-heits- und Stärkeverhältnisse der Fraktionen in der BVV (mit regelhaft 55 Mitgliedern) bei der Bil-dung des Kollegialorgans (mit deutlich weniger Mitgliedern) in Abhängigkeit von dem angewandten Zählverfahren mitunter unterschiedlich abbilden lassen, eine völlige Spiegelbildlichkeit bereits aus mathematischen Gründen („immanente Proportionalitätsverluste“4Urteil des BVerfG vom 25. Juli 2012 (2 BvF 3/11, 2 BvR 2670/11, 2 BvE 9/11 [VR 11/2012, S. 386ff]).) mithin nicht erreicht werden kann, spielten parteipolitische Auseinandersetzungen über die Besetzung dieser `Machtposition´ nach dem jeweiligen Wahlergebnis eine besondere Rolle.
  5. Nach Satz 1 ist als Grundsatz festzuhalten: Die Reihung der zu verteilenden Höchstzahlen be-stimmt die Rangfolge der Wahlvorschlagsrechte. Unbeschadet des Satzes 2 (Bildung einer Zähl-gemeinschaft) steht der Fraktion, auf die die erste Höchstzahl entfällt, das Vorschlagsrecht für d. BzBm, der Fraktion, auf die die zweite Höchstzahl entfällt, das für die stellvertretende oder den stellvertretenden BzBm usw.5Vgl. auch Beschluss des OVG vom 30. Dezember 1999 (8 SN 319/99). zu.
  6. Kommentierung und Rechtsprechung gehen davon aus, dass die Soll- als Mussvorschrift (`un-echte Sollvorschrift´) auszulegen sei6Driehaus, VvB a. F., Art. 99 Rz. 1; auch Mudra, Anmerkung zu § 35 Abs. 2; Musil/Kirchner, Rz 341; Zivier, Rz. 91.2.3. Aus Anlass der Bezirksamtsbildung in Friedrichshain-Kreuzberg zu Beginn der 17. Wahlperiode: Husein, Timur, Noch-mals: Die Wahl der Mitglieder der Berliner Bezirksämter – d`Hondt oder Hare-Niemeyer? (LKV 4/2013, S. 164ff).. Das dürfte bei teleologischer Auslegung nicht vollumfänglich nachvollzogen werden, weil eine Sollvorschrift die Normauslegung allein im üblichen Fall vor-schreibt7Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 40 Rn 44; einschlägige Judikatur erging nach der Aufnahme des Höchstzahlverfahrens nach d`Hondt in die verfassungs- und einfachgesetzlichen Normen (ausführlich Vor § 1) nicht. Auch die Kommentarliteratur hat ihren Ausgangspunkt beim historischen Gesetzgeber des Dritten Gesetzes zur Änderung des Bezirksverwaltungsge-setzes und anderer Gesetze vom 24. Juni 1971 (GVBl. S. 1056) bzw. der maßgeblichen Protokollnotiz des Innenaus-schusses. Zu diesem Zeitpunkt war die parteipolitische Konstellation jedoch grundlegend anders: In einem Dreiparteien-system (SPD, CDU, FDP) war das (teilweise kontroverse) Ziel, die Bildung des BA ohne eine angemessene Einbezie-hung der beiden größten politischen Kräfte zu verhindern. Ein atypischer Sachverhalt, der eine Abweichung von diesem Zählverfahren gerechtfertigt hätte, war bei drei Bezirkswahlvorschlägen über der maßgeblichen Sperrklausel nicht vor-stellbar.. Ergeben sich nach einer Wahl jedoch außerordentliche Mehrheits- und Stärkeverhältnis-se in einer BVV mit der Folge, dass sie durch Anwendung dieses Höchstzahlverfahrens nicht an-gemessen reproduziert werden können, ist die Bildung des Kollegialorgans durch ein anderes de-mokratischen Auswahlprinzip als zulässig anzusehen (`echte Sollvorschrift´). Das bliebe dann je-doch einer tiefgreifenden einzelfallbezogenen Überprüfung überlassen. Eine Soll-Vorschrift ver-pflichtet die maßgebliche Stelle, grundsätzlich so zu verfahren, wie es im Gesetz bestimmt ist. Wenn keine Umstände vorliegen, die den Fall als atypisch erscheinen lassen, bedeutet das `Soll´ ein `Muss´8Vgl. Urteile des BVerwG vom 17. August 1978 (V C 33/77) sowie vom 2. Juli 1992 (5 C 39/90)..
    • (6a) Eine Abkehr von der Berechnung der Sitzverteilung im BA nach dem gesetzlichen Zählverfah-ren unterliegt allerdings besonders strengen Anforderungen. Das jeweilige Wahlergebnis muss ei-ne Sitzverteilung in der BVV auslösen, die unter Anwendung der gesetzlich vorgeschriebenen Be-rechnung zu einer dem Regelungsgedanken einer angemessenen Beteiligung der kommunalpoliti-schen Kräfte grundlegend widersprechenden Zusammensetzung im Verwaltungsorgan führen würde. Es müsste sich mithin um eine tiefgreifende, sich krass vom Regelfall unterscheidende Höchstzahlverteilung handeln. Der Wechsel von Wahlvorschlagsrechten der Fraktionen durch Heranziehung eines abweichenden Zählverfahrens erfüllt diese Voraussetzungen allein nicht9Andere Auffassung: Putzer, Max, Die Wahl der Mitglieder der Berliner Bezirksämter – d`Hondt oder Hare-Niemeyer? (LKV 9/2012, S. 390ff).. Ei-ne Abweichung von der Sollvorschrift kann insoweit nur dann als gerechtfertigt angesehen werden, wenn eine solche Divergenz nach Sinn und Zweck der Regelung als `unabweisbar´ zu charakteri-sieren ist; unabweisbar ist ein derartiger Grund nur, wenn er (der Mehrheit) der BVV keine ge-richtsfeste Alternative zwischen der Anwendung des Höchstzahlverfahrens nach d`Hondt und ei-nem anderen mathematischen Berechnungsverfahren lässt. Diese Umstände könnten dann vorlie-gen, wenn nach einem Wahlergebnis die Zahl der Fraktionen, die ohne Wahlvorschlagsrecht zum BA bleiben, die Zahl der Fraktionen mit Wahlvorschlagsrecht übersteigt und darüber hinaus die stärkste Fraktion, die jedoch über keine absolute Mehrheit in der BVV verfügt, unter Anwendung des Höchstzahlverfahrens nach d`Hondt im Bezirksamt über die Mehrheit verfügen würde10Sitzverteilung (Beispiel) nach dem Höchstzahlverfahren (d`Hondt) Teiler Fraktion A Fraktion B Fraktion C Fraktion D Fraktion E Fraktion F übrige :01 241) 132) 4 4 3 3 4 :02 12,03) 06,55) :03 08,34) 04,3 :04 066) Fraktion A 4 Sitze Fraktion B 2 Sitze Fraktion C 0 Fraktion D 0 Fraktion E 0 Fraktion F 0.
    • (6b) Im Hinblick auf die (politische) Bedeutung einer Durchbrechung des Regelfalles11a) Sitzverteilung (Beispiel) nach nach Sainte-Laguë/Schepers (Divisoren sind 0,5, 1,5 oder 1, 3, 5 usw.; Zahlenbruch-teile unter 0,5 werden ab-, über 0,5 aufgerundet) Teiler Fraktion A Fraktion B Fraktion C Fraktion D Fraktion E Fraktion F übrige 24 13 4 4 3 3 4 :0,5 481) 262) 8 8 6 6 :1,5 16,03) 08,65) :2,5 09,64) 05,2 :3,5 06,86) :01 241) 132) 46) 4 3 3 :03 08,03) 04,35) :05 04,84) 02,6 :07 03,4 Fraktion A 3 Sitze Fraktion B 2 Sitze Fraktion C 1 Sitz Fraktion D 0 Fraktion E 0 Fraktion F 0 b) Sitzverteilung (Beispiel) nach Hare-Niemeyer (mit mathematischer Auflösung der Pattsituation sinngemäß nach § 35 Abs. 2 Satz 3 BezVG) Fraktion A 24 : 55 x 5 = 2,18 2 Sitze Fraktion B 13 : 55 x 5 = 1,18 1 Sitz Fraktion C 04 : 55 x 5 = 0,36 1 Sitz Fraktion D 04 : 55 x 5 = 0,36 1 Sitz Fraktion E 03 : 55 x 5 = 0,27 1 Sitz Fraktion F 03 : 55 x 5 = 0,27 0. muss eine Mehrheit in der BVV davon ausgehen, dass diese Entscheidung auf Initiative der Minderheit einer bezirksaufsichtsrechtlichen oder verwaltungsgerichtlichen Überprüfung unterzogen werden würde. Zweifellos ist eine derartige Abweichung „nur in ganz besonders begründeten außerordentlichen Fällen“12Protokollnotiz des Ausschusses für Inneres vom 18. Juni 1971 (Inn 6/3) bzw. Plenarprotokoll 6/9 vom 24. Juni 1971; vgl. auch Vor § 1 Fn22. denkbar.
  7. Bei der Anwendung des Höchstzahlverfahrens (d‘ Hondt)13Ein Bespiel zum Höchstzahlverfahren nach dem endgültigen Ergebnis der Wahlen zur BVV Charlottenburg-Wilmersdorf, Der Landeswahlleiter vom 13. Oktober 2006 (ABl. S. 3757): Teiler SPD-Fraktion CDU-Fraktion Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen FDP-Fraktion :01 20,01 16,02 10,03 *) 05,0 :02 10,04 *) 08,05 05,0 02,5 :03 06,666 05,33 03,33 01,66 :04 05,0 04,0 02,5 01,25 *) Stimmverhältnis (Grüne 24.772; SPD 47.853 : 2 = 23.926). sind die Mehrheits- und Stärkever-hältnisse im Zeitpunkt der Wahl zum BA maßgebend, auch wenn sie nicht mehr dem Wahlergeb-nis zur BVV entsprechen (ausführlich § 5). Die Verfassung „trifft keine Entscheidung über den Zeitpunkt zur Ermittlung des (…) maßgeblichen Stärkeverhältnisses, und zwar weder eine Ent-scheidung über diesen Zeitpunkt selbst noch darüber, wer in welcher Form diesen Zeitpunkt fest-zulegen hat“14Beschluss des VerfGH vom 15. Oktober 1992 (40/92) zur Anwendung von Art. 87a Abs. 2 Satz 4 der Verfassung von Berlin vom 1. September 1950 (VOBl. I S. 433, zuletzt geändert durch Art. I des Gesetzes zur Änderung der Verfassung von Berlin vom 2. April 1992 (GVBl. S. 111). Der der Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt war `pikant´: durch Fraktionswechsel (von GAL zu SPD) vor der Wahl des BA wurde die REP-Fraktion in der BVV Kreuzberg um ihr Vor-schlagsrecht gebracht; nach `erfolgreicher´ BA-Wahl legte der BV zeitnah sein Mandat nieder, ein Nachrücker aus dem Bezirkswahlvorschlag der GAL stellte die Mehrheits- und Stärkeverhältnisse, wie sie sich aus dem Wahlergebnis vom 24. Mai 1992 ergeben hatten, wieder her (der zurückgetretene BV wurde von der SPD-Fraktion anschließend durch die Wahl zum BD in einem Ausschuss `belohnt´).. Eine einfachgesetzliche Spezialregelung besteht gleichfalls nicht. Maßgebend ist insoweit allein die Frage, ob der Wahlvorschlag einer Fraktion im Zeitpunkt der Einbringung (spä-testens zum Tagesordnungspunkt der Sitzung) zulässig ist. Rechtsfolgen aus einem Fraktionsaus- oder übertritt sind – soweit dieser nicht „rechtsmissbräuchlich allein zu dem Zweck erfolgt ist, (…) die sonst gegebene Nominierungschance zu nehmen“15Beschluss des OVG vom 21. August 1992 (8 S 259/92). – auch in dieser Hinsicht zu beachten. „Bei der Vergabe des Nominierungsrechts (…) kommt es auf das Stärkeverhältnis der Fraktionen in der BVV zum Zeitpunkt des voraussichtlichen Wahlaktes an.“16Ebd.
  8. Nicht jede Partei/Wählergemeinschaft, die auf Grund des Wahlergebnisses Fraktionsstatus er-reicht hat, ist (automatisch) vorschlagsberechtigt; insoweit ist die Verwendung des bestimmten Ar-tikels irreführend. Das Vorschlagsrecht, das sich nicht auf einen bestimmten Geschäftsbereich be-ziehen darf (ausführlich § 38), ist ein besonderes Privileg der Fraktionen mit einer kommunalpoli-tisch relevanten Zahl von Sitzen in der BVV (ausführlich § 5). Fraktionslose BV oder fraktionsge-bundene einzelne BV sind in keinem Fall befugt, einen Wahlvorschlag zum BA einzubringen, die-ser müsste von d. BV-Vorst. zurückgewiesen werden (ausführlich § 7). Der Wortlaut lässt einen gemeinsamen Wahlvorschlag von mehreren Fraktionen17Kommunalverfassungen anderer Bundesländer sehen mitunter diese Möglichkeit vor: vgl. u. a. § 50 Abs. 3 GO NRW in Verbindung mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2003 (8 C 18/03). grundsätzlich nicht zu, er müsste gleich-falls beanstandet werden. „Für jede zu besetzende Bezirksamtsposition ist jeweils nur eine Frakti-on vorschlagsberechtigt. Gegenkandidaturen sind ausgeschlossen.“18Musil/Kirchner, Rz 338. Die Durchsetzung eines Wahlvorschlages „steht unter dem Vorbehalt der Wahl (…). Die Wahl (…) ist frei.“19Leitsätze des Beschlusses des BVerfG vom 22. März 2022 (2 BvE 9/20); auch: Urteil des BVerwG vom 10. April 2025 (2 C 12/24). „Der mit einer Wahl einhergehende legitimatorische Mehrwert könnte nicht erreicht werden, wenn es eine Pflicht zur Wahl eines bestimmten Kandidaten oder einer bestimmten Kandidatin gäbe. Der Wahlakt un-terliegt grundsätzlich keiner über Verfahrensfehler hinausgehenden gerichtlichen Kontrolle, wes-wegen sein Ergebnis auch keiner Begründung oder Rechtfertigung bedarf.“20Beschluss des VG vom 31. Oktober 2023 (2 L 363/23) mit Bezug auf den Beschluss des BVerfG vom 22. März 2022 (2 BvE 9/20), bestätigt durch den Beschluss des OVG vom 29. Februar 2024 (12 S 37/23).
  9. Mit der (erfolgreichen) Wahl zum BA erlischt das Vorschlagsrecht. Es ist ausgeübt und entfaltet insoweit kein Dauerrecht. Ist eine Nachwahl (im Laufe der Wahlperiode) erforderlich, muss auf Grund der dann bestehenden Mehrheits- und Stärkeverhältnisse vielmehr erneut festgestellt wer-den, welcher Fraktion das Vorschlagsrecht zusteht. Ist die im Zeitpunkt der Bildung des BA jeweils vorschlagsberechtigte Fraktion in der Zahl ihrer Sitze (durch Aus- oder Übertritt) reduziert, kann – wie auch in dem Fall, dass der Fraktionsstatus an sich nicht mehr besteht – das Vorschlagsrecht wechseln (ausführlich Rdnr. 7).
  10. Das Wahlvorschlagsrecht einer Fraktion wird hinsichtlich der Voraussetzungen der nominier-ten Person nicht näher geregelt (ausführlich § 34). Es beinhaltet keinesfalls zwingend die Mitglied-schaft in der jeweiligen Fraktion21In der Übergangsphase zwischen dem Ende der einen und Beginn der neuen Wahlperiode tritt mitunter jedoch der Fall ein, dass eine Fraktion die Wiederwahl eines Mitglieds des BA vorschlägt, das zu diesem Zeitpunkt Mitglied der BVV, d. h. der Fraktion, ist (`Spitzenkandidat´). Diese Konstellation ist zulässig (§ 26 Abs. 4 Satz 2 Landeswahlgesetz). oder einer Partei/Wählergemeinschaft.
  11. In der Regel wird die Reihenfolge der Einzelwahlvorgänge durch die Höchstzahlen, also wie-derum durch die Mehrheits- und Stärkeverhältnisse der vorschlagsberechtigten Fraktionen, ge-steuert. So steht die Wahl d. BzBm an erster, die einer Bezirksstadträtin oder eines Bezirksstadt-rats, zugleich stellvertretende oder stellvertretender BzBm, an zweiter Stelle in der Tagesordnung usw. Verfahrensabweichungen dürfte die BVV jedoch beschließen. Sinn und Zweck der gesamten Normvorschriften über die Bildung des BA legen nahe, mit der Wahl d. BzBm zu beginnen: Zum einen ist diese Position im BA von besonderer Rechtsnatur (ausführlich §§ 34, 39), zum anderen ist zumindest im Fall der Bildung einer Zählgemeinschaft festzustellen, ob die rechnerische in eine politische Mehrheit überführt werden kann und auf welches Wahlvorschlagsrecht anzurechnen ist (ausführlich Rdnr. 14).
  12. Dem Risiko der Nichtwahl von Kandidatinnen oder Kandidaten wird grundsätzlich durch die Vorschrift über den Beginn der Amtszeit des BA begegnet (ausführlich § 34). Einfluss auf die Rei-henfolge der Wahlvorgänge hätte ein solches Ereignis an sich nicht. Die BVV hat zwar das Nomi-nierungsrecht der Fraktion zu respektieren, kann jedoch eine Person ablehnen. „Für den Fall, dass die (vorschlagsberechtigte) Fraktion trotz mehrfacher Nichtwahl auf ihrem (Vorschlag) beharrt, wird in der Literatur teilweise eine Verwirkung des Nominierungsrechts angenommen.“22Musil/Kirchner, Rz 343; nach § 242 BGB im Sinne einer Handlung gegen Treu und Glauben, was auch im öffentlichen Recht zu beachten ist. Dieser Ansicht kann zumindest dann nicht gefolgt werden, wenn in mehreren Wahlgängen (zu unterschiedlichen Zeitpunkten) verschiedene von der Fraktion vorgeschlagene Personen nicht die erforderliche Mehrheit finden. Weigert sich die BVV jedoch beharrlich, von einer (bestimmten) Fraktion vorge-schlagene Personen zu wählen, könnte eine Missachtung des Nominierungsrechts vorliegen23Siegel/Waldhoff, § 1 Rz 316, Musil/Kirchner, Rz 344. Die Bezirksaufsicht wurde von der BV-Vorst. anlässlich der Wahl zum BA Pankow um entsprechende Prüfung gebeten. Eine verbindliche Weisung zur Durchführung einer positiven Wahl nach § 12 AZG musste jedoch nicht erlassen werden; zur „Verwirkung“ des Vorschlagsrechts vgl. u. a. Beschluss des VG vom 22. August 1975 (I A 283/75) zur Bildung in der BVV Zehlendorf (WUB ./. CDU).. Letztlich müsste die vorschlagsberechtigte Fraktion in einem derartigen Fall hinnehmen, dass ihre Kandidatin oder ihr Kandidat seine Tätigkeit im BA temporär nicht aufnehmen kann24Unter Abwägung der betroffenen Rechtsgüter wäre ein mit drei oder vier Mitgliedern rechtlich handlungsfähiges BA zumindest für einen Zeitraum von etwa sechs Monaten eher hinzunehmen als eine `Zwangswahl´ durch demokratisch gewählte BV.. Recht-sprechung liegt in dieser politisch hochbrisanten Frage (bisher) nicht vor.
  13. Abweichend von der arithmetischen Folge, dass die stärkste Fraktion das Vorschlagsrecht beanspruchen darf, ist nach Satz 2 allein für die Wahl d. BzBm ein Wahlvorschlag durch eine Zählgemeinschaft zulässig. Insoweit wird eine Koalitionsbildung in der BVV ermöglicht25Formell erlischt sie nach der erfolgreichen Wahl; in der Praxis ist sie jedoch mit inhaltlichen Absprachen, Festlegungen usw. (bis hin zu schriftlich fixierten Vereinbarungen) verbunden, die über den Wahltermin hinaus ihre Wirkung entfalten (sollen). Eine Rechtsfolge der Aufkündigung einer derartigen Koalition tritt allerdings nicht ein; sie ist vielmehr kommu-nalpolitisch zu bewerten.. Für die Abgabe dieses Wahlvorschlages bestehen keine Formvorschriften. In der Regel wird er anlässlich der Vorbereitung der Sitzung der BVV im Ältestenrat erörtert, ggf. in Schriftform den anderen Mit-gliedern der BVV zur Kenntnis gegeben. In diesem Zusammenhang muss deutlich werden, dass es sich um eine Zählgemeinschaft handelt, die den Wahlvorschlag einbringt. Diese ist deshalb hin-sichtlich der beteiligten Fraktionen eindeutig zu bezeichnen. Im Hinblick auf den Wortlaut der Vor-schrift ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn sich an der Zählgemeinschaft auch eine Frakti-on beteiligt, die auf Grund ihrer geringen Sitzzahl kein eigenes Wahlvorschlagsrecht zum BA aus-üben darf. Zumindest eine Fraktion dieser Zählgemeinschaft muss jedoch über ein solches verfü-gen. Die numerische Ausweitung der Zählgemeinschaft durch Aufnahme von fraktionslosen BV ist unzulässig. Eine (`echte´) Zählgemeinschaft darf nur gebildet werden, wenn sie über mehr Sitze als die stärkste Fraktion, die daran nicht beteiligt ist, verfügt, was konkurrierende Wahlvorlagen nicht zulässt26Rechtliche Hinweise; Urteil des VG vom 8. Juni 1998 (26 A 43/96) zur Entscheidung der Bezirksaufsicht, eine solche Wahl in der BVV Prenzlauer Berg aufzuheben.. Insofern richtet sie sich nach Sinn und Zweck der Regelung gegen die stärkste Fraktion, wenn der Wortlaut der Vorschrift deren Beteiligung auch nicht klar ausschließt.
  14. Der Wahlvorschlag der Zählgemeinschaft ist auf den Wahlvorschlag einer der an ihr beteilig-ten Fraktionen anzurechnen. Sind an der Zählgemeinschaft mehrere Fraktionen beteiligt, die ein Wahlvorschlagsrecht haben, muss vor der Wahl eine Einigung erzielt werden, bei welcher vor-schlagsberechtigten Fraktion die Anrechnung erfolgt. In der Regel wird die Person von der stärks-ten an der Zählgemeinschaft beteiligten Fraktion vorgeschlagen werden und dieser als Wahlvor-schlag angerechnet. Ist diese die zweitstärkste Fraktion, erfolgt die Anrechnung auf ihr Wahlvor-schlagsrecht für dasjenige BA-Mitglied, das zugleich d. stellvertretende BzBm ist27Ebd..
  15. Ergeben sich bei der Verteilung der Höchstzahlen (nicht nur hinsichtlich der Wahl zum BzBm in der Addition der Sitze einer Zählgemeinschaft) gleiche Werte, so ist nach Satz 3 die Berechnung auf der Grundlage der erzielten Wählerstimmen für die entsprechenden Bezirkswahlvorschläge durchzuführen. Ergeben sich wiederum gleiche Höchstzahlen, entscheidet nach Satz 4 das Los28Musil/Kirchner, Rz 341.. Es ist nicht geregelt, wer das Los zieht und wie es zu entscheiden hat. In der Regel obliegt diese Aufgabe d. BV-Vorst. (ggf. im Benehmen mit dem Ältestenrat).
  16. Die Sitzverteilung in der BVV kann den Fall einschließen, dass die Addition der Mitglieder von Fraktionen zwar größer als die stärkste Fraktion ist, die das Vorschlagsrecht zur Wahl d. BzBm nach Satz 1 geltend machen darf, jedoch (im Hinblick auf die Existenz anderer Fraktionen bzw. fraktionsloser BV) nicht über die Mehrheit der Mitglieder der BVV verfügt (die die Wahl letztlich si-chert). Die Bildung einer derartigen Zählgemeinschaft ist zulässig, wird in der Regel allerdings von einem Aushandlungsprozess abhängen, um bei der Wahl in der BVV tatsächlich mehr Ja- als Neinstimmen zu garantieren. Diese Erörterungen (`Koalitionsgespräche´) spielen sich meist zwi-schen dem Tag nach der Wahl (bzw. der Feststellung über das amtliche Endergebnis durch die Landeswahlleitung) und dem Tag der Sitzung der BVV, in der die Wahl zum BA durchgeführt wer-den soll, ab. In diesem Prozess der Gespräche `aller mit allen´ kann die stärkste Fraktion (durch das Angebot kommunalpolitischer Zugeständnisse in Sach- und/oder Personalentscheidungen) versuchen, die Bildung einer Zählgemeinschaft nach Satz 2 an sich zu verhindern bzw. mit ande-ren Fraktionen/fraktionslosen BV eine politische (Ver-)Bindung herzustellen, um eine Mehrheit ge-gen sich abzuwehren (`unechte´ Zählgemeinschaft). In der Praxis ist diese Konstellation der Re-gelfall.Absatz 3: Die Bezirksverordnetenversammlung kann mit einer Mehrheit von zwei Dritteln ihrer verfas-sungsmäßigen Mitglieder ein Mitglied des Bezirksamts vor Beendigung seiner Amtszeit abberufen. Über die Abberufung ist nach zweimaliger Beratung abzustimmen. Die zweite Beratung darf frühestens zwei Wochen nach der ersten erfolgen.
  17. Dem allgemeinen Demokratieprinzip folgend bedingt das Recht der Wahl grundsätzlich auch das Recht der Abwahl. Satz 1 eröffnet der BVV diese Möglichkeit, die keine Begründung erfor-dert29Michaelis/Krammerbauer in Driehaus, VvB, Art. 76 Rn. 1; vgl. auch Urteil des BVerwG vom 14. Januar 1965 (II C 53/62 [BVerwGE 20, 166]), das die verfassungsrechtliche Vereinbarkeit der Abberufung eines gemeindlichen Bürgermeisters in Schleswig-Holstein feststellte; Musil/Kirchner, Rz 346; Mudra, Anmerkung zu § 35 („Kehrseite des Wahlrechts“). Da es sich um eine außergewöhnliche Maßnahme handelt, werden die Initiatoren eines Abberufungsantrags im Regelfall eine schriftliche Begründung mit kommunalpolitischem Bezug vorlegen – als Teil der entsprechenden Drucksache oder zu-mindest in anderer Form öffentlichkeitswirksam -, um ihren Standpunkt plausibel zu machen.. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob etwa eine (schuldhafte) Amtspflichtverletzung vorliegt30Vgl. (im Hinblick auf in dieser Hinsicht gleiche Voraussetzungen bei der Wahl bzw. Abberufung) Beschluss des OVG Mecklenburg-Vorpommern vom 20. Mai 2008 (2 M 50/08); unter Bezugnahme auf die Urteile des Thüringischen OVG vom 21. November 1995 (2 KO 175/94) und des Niedersächsischen OVG vom 17. Dezember 1991 (10 L 23/89) wäre ei-ne Abberufung ausnahmsweise nur dann unzulässig, wenn sie in offenkundiger und eklatanter Weise (z. B. mittels Stimmenkauf) missbraucht wird (DÖV, Oktober 2008, S. 876).. Dem Abberufungs- bzw. Abwahlantrag, der sich konkret auf ein bestimmtes Mitglied des BA beziehen muss, ist zu folgen, wenn er im Regelfall zumindest 37 Mitglieder der BVV auf sich vereinigt, auf die Zahl der an der Abstimmung teilnehmenden BV kommt es – abgesehen von der Beschlussfähigkeit des Gremiums (ausführlich § 8) – in keinem Fall an. Das gesetzlich geforderte Quorum soll verhindern, dass die Spitze der Verwaltung einem permanenten politischen Druck aus dem Wahlorgan ausgesetzt ist, der sich aus tagespolitischen Opportunitätserwägungen speist. Der `Inflationierung´ von Abberufungsanträgen wird dadurch in gewisser Hinsicht vorgebeugt und für die erforderliche personale Kontinuität im Verwaltungsorgan des Bezirks gesorgt31Michaelis/Krammerbauer in Driehaus, VvB, Art. 76 Rn. 1; Musil/Kirchner, Rz 346; Mudra, Anmerkung zu § 35 Abs. 3; den BV bleibt zwar jederzeit der Weg der Kritik an Mitgliedern des BA über einen Abberufungsantrag; die interessierte Öffent-lichkeit würde regelmäßig auftretende personelle Auseinandersetzungen und damit die Zurückdrängung der sachlich ori-entierten Kommunalpolitik jedoch nicht goutieren; die Abwahl eines Mitgliedes des BA wird daher die Ausnahme bleiben, um die Antragsteller nicht politisch zu desavouieren..
  18. Satz 1 entspricht dem Sinn von Art. 76 Satz 1 VvB, weicht jedoch durch den Verweis auf die verfassungsmäßige Mitgliederzahl, von der das Quorum zu ermitteln sei, von seinem Wortlaut ab. Insoweit könnte von der maßgeblichen Unterscheidung ausgegangen werden, dass bei einer Ab-berufung in jedem Fall auf 55 Mitglieder der BVV (nach Art. 70 Abs. 2 VvB und § 5 Abs. 1 Satz 1) Bezug genommen werden müsste. Diese Annahme trägt jedoch nicht. Art. 76 Satz 2 VvB eröffnet vielmehr eine einfachgesetzliche Konkretisierung, von der der Normgeber in landeswahlrechtlicher Hinsicht (ausführlich § 5) Gebrauch gemacht hat32Wolf, Dr. Robert, Das Berliner Bezirksverwaltungsrecht nach den Wahlen vom 18.9.2011 (LKV 6/2012, S. 248ff)., während eine verfassungsrechtliche Regelung hinsichtlich der Ausschöpfung eines Wahlvorschlags o. ä. nicht getroffen wurde. Ist die einfachge-setzliche Sitzzahl der BVV im Zeitpunkt einer Abberufung geringer, muss das Quorum auf der Grundlage dieser Mitgliederzahl berechnet werden.
  19. Eine Abberufung zeitigt spezifische versorgungsrechtliche Folgen: Der Status als Beamtin oder Beamter (auf Zeit) verhindert, dass die Person, die nach der (politischen) Entscheidung der BVV unmittelbar aus dem aktiven Dienstverhältnis auszuscheiden hat, mittellos wird. In einem sol-chen Fall erhält sie – unbeschadet eines individuellen Rückkehranspruches in den öffentlichen Dienst – nach § 66 Abs. 8 Satz 1 BeamtVG bis zum Ablauf der (regulären) Amtszeit Ruhegehalt mit besonderen Maßgaben33Die Verweisung auf das Beamtenversorgungsrecht des Bundes gestaltet sich nach Artikel 1 des Gesetzes zur Ände-rung des Grundgesetzes (Art. 22, 23, 33, 52, 72, 73, 74, 74a, 75, 84, 85, 87c, 91a, 91b, 93, 98, 104a, 104b, 105, 107, 109, 125a, 125b, 125c, 143c) vom 28. August 2006 (BGBl. I S. 2034), der nach Artikel 2 der Norm am Tag nach der Ver-kündung in Kraft trat (Stichwort: „Föderalismusreform I“) durch den Verlust der konkurrierenden Gesetzgebungskompe-tenz des Bundestags bei Landes- und Kommunalbeamten und Richtern etwas kompliziert: Nach § 2 des Gesetzes zur Überleitung und Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes in der Bekanntmachung der Neufassung vom 16. März 1999 (BGBl. I S. 322, 874, 2033), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 19. Juli 2006 (BGBl. I S. 1652), ist das BeamtVG im Rechtszustand vom 31. August 2006 anzuwenden. § 66 Abs. 8 BeamtVG wurde zwar durch Art. 4 Nr. 43 Buchstabe c) des Gesetzes zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts (Dienstrechtsneuord-nungsgesetz – DNeuG) vom 5. Februar 2009 aufgehoben (vgl. auch Begründung zu Art. 4 Nr. 3 des Regierungsentwurfs zu dem genannten Gesetz vom 12. November 2007 [16/7076]). Darauf kommt es jedoch nicht an. Völlig anders hinge-gen ist der Rücktritt eines BA-Mitglieds zu beurteilen: Es handelt sich um eine Entlassung auf Verlangen nach § 33 Abs. 1 Satz 1 BBG, nach der regelmäßig kein Versorgungsanspruch besteht (§ 39 Satz 1 BBG). Einer Abberufung ist nach den Urteilen des VG vom 5. April 2006 (5 A 170/02), OVG Berlin-Brandenburg vom 29. Juni 2007 (4 B 6/06) und BVerwG vom 25. Juni 2009 (2 C 47/07) der Fall einer nicht erfolgten „Wiederwahl“ bei vorzeitiger Beendigung der Wahl-periode gleichzusetzen. Die Entscheidungen gehen auf die vorzeitige Beendigung der Wahlperiode im Herbst 2001 in Pankow zurück..
  20. Die Zulässigkeit, einen Abberufungsantrag einzubringen, geht nicht mit dem Erfordernis der Benennung einer personellen Alternative einher, die Wahl eines (neuen) Mitgliedes des BA darf vielmehr nicht Teil des Abwahlantrages sein (im Gegensatz zum konstruktiven Misstrauensvotum nach Art. 67 Abs. 1 GG). Es bestehen jedoch nach der erfolgreichen Abberufung keine Bedenken, bereits in der gleichen Sitzung die Nachwahl durchzuführen. Die beamtenrechtlichen Folgen einer Abberufung vor Beendigung der Amtszeit sind jedoch verwaltungsgerichtlich überprüfbar, der Vor-gang unterliegt ggf. der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Eine unmittelbare Aushändigung der Ernennungsurkunde und Vereidigung des nachgewählten Mitgliedes des BA durch d. BV-Vorst. (§ 2 Abs. 2 BAMG) wäre daher in diesem Zusammenhang zu unterlassen.
  21. Satz 2 regelt, dass ein eingebrachter Abberufungsantrag nicht unmittelbar zur Abstimmung gestellt werden darf. Er ist vielmehr zweimalig zu beraten (in zwei Lesungen), d. h. Gegenstand von zwei unterschiedlichen Tagesordnungen (Sitzungen) der BVV. Der Wortlaut könnte für eine Verpflichtung der BVV sprechen, die Angelegenheit tatsächlich zu erörtern, also das Rederecht von BV zur Pflicht zu verwandeln. Davon ist jedoch nicht auszugehen. Da eine Verpflichtung zur Abgabe einer Begründung der Abberufung nicht besteht (ausführlich Rdnr. 17), kann die Norm die BVV nicht zu einer mündlichen Verhandlung zwingen. Sie entspricht insoweit vom Sinngehalt Art. 59 Abs. 4 VvB. Danach muss jedes Gesetz in mindestens zwei Lesungen (im Plenum des Abge-ordnetenhauses) beraten werden, in denen mitunter Wortmeldungen ausbleiben. Im Regelfall wird das Erörterungsrecht der Darstellung der Gründe für den Abberufungsantrag jedoch ausführlich wahrgenommen, um diese politische Auseinandersetzung auch in der Öffentlichkeit zu führen. Die zweite Beratungsmöglichkeit wird dagegen häufig nicht (mehr) zu einer Beratung genutzt.
  22. Nach Abschluss der Redemöglichkeit anlässlich der zweiten Beratung schließt sich in der Re-gel unmittelbar die Abstimmung über den Abberufungsantrag an. Diese Abfolge ist jedoch nicht zwingend. Eine `dritte Lesung´ gibt der Wortlaut der Vorschrift nicht her, weil dem Wahlakt eine „zweimalige Beratung“ vorhergeht. Die Abstimmung in einer dritten Sitzung der BVV müsste aus-nahmslos ohne Aussprache erfolgen.
  23. Satz 3 definiert eine `Denkpause´ für die BVV zwischen erster und zweiter Lesung des Abbe-rufungsantrages. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach Sinn und Zweck der Regelung die zweite Beratung bereits nach zwei Wochen an dem Tag der Woche, der dem Tag der ersten Beratung entspricht, durchgeführt werden kann34Rechtliche Hinweise.. Eine spätere Terminansetzung (z. B. in der nächsten regu-lären Sitzung der BVV) ist zulässig.
    • (23a) Es könnte die Auffassung vertreten werden, dass der BVV im Zusammenhang mit der Be-handlung dieses besonderen Antrages keine der im Übrigen bestehenden Verfahrensregelungen (etwa Vertagung oder Ausschussüberweisung) zur Seite stünden. Da die Anwendung der Vor-schrift sowohl dem Übereilungsschutz als auch dem Grundsatz der Ämterstabilität Rechnung zu tragen habe, sei es unzulässig, die Angelegenheit zur Vertagung oder zur Ausschussüberweisung mehrfach aufzurufen, um eine Abstimmung zu umgehen oder in der Schwebe zu lassen. Solche Verfahrensschritte seien bereits eine Beratung im Sinne des Gesetzes. Die Intention, den Antrag durch Überweisung oder Vertagung für eine Abstimmung zu einem späteren Zeitpunkt zu nutzen, sei insoweit rechtswidrig und mit der Vorschrift nicht vereinbar. Vielmehr sei in einem solchen Fall zwingend, den Antrag von der Tagesordnung zu nehmen. Überweist oder vertagt die BVV einen Abberufungsantrag, könne das Abwahlverfahren nicht mehr ordnungsgemäß abgeschlossen wer-den und müsste (durch die Einbringung eines erneuten Antrages auf Abberufung) neu beginnen. Es sei mit dem Grundsatz der Ämterstabilität nicht in Einklang zu bringen, einen Abwahlantrag nach einer zweiten Beratung in der Schwebe zu lassen und nicht darüber abzustimmen. Diese Auslegung müsste ggf. durch ein Beanstandungsverfahren durch das BA (ausführlich § 18) durch-gesetzt werden35Hintergrund dieser Rechtsmeinung war ein Abberufungsverfahren aus ungewöhnlichem Anlass in Friedrichshain-Kreuzberg: Durch die Fraktion Die Linke wurde zur Sitzung der BVV am 29. Januar 2025 ein Antrag auf Abwahl eines Stadtrats und zugleich stellvertretenden BzBm eingebracht. Er war nach der Wahl am 26. September 2021 ursprünglich auf ihren Vorschlag – neben einem weiteren Sitz im BA – von der BVV gewählt worden. Nach der Wiederholungswahl am 12. Februar 2023 blieb diese politische Kraft zwar die zweitstärkste Gruppierung, erzielte jedoch deutlich weniger Stim-men, so dass sie ein Wahlvorschlagsrecht verlor. Die Fraktion benannte zur Beibehaltung den bezeichneten Stadtrat und zugleich stellvertretenden BzBm. Das zweite Mitglied im BA wurde sodann durch einen erfolgreichen Wahlvorschlag der CDU-Fraktion ersetzt. Ende Oktober 2025 erklärte er seinen Austritt aus der Partei Die Linke. Die Fraktion in der BVV nahm dies zunächst hin. Im Verlauf des Januars 2025 trat dieses Mitglied des BA jedoch der SPD bei, die somit – neben einem zustehenden Sitz im BA – mit zwei Mitgliedern im Kollegialorgan, die Linke überhaupt nicht mehr vertreten war. Über den Abwahlantrag wurde in der genannten Sitzung in erster Lesung beraten. Die zweite Lesung war für den 26. Februar 2025 vorgesehen und stand auf der Tagesordnung der BVV. In dieser Sitzung stellte die Fraktion Die Linke so-gleich einen Antrag auf Vertagung. Infolge der Annahme wurde dann auf Antrag der SPD-Fraktion eine außerordentliche Sitzung der BVV für den 5. März 2025 einberufen mit dem alleinigen Tagesordnungspunkt, über die Abwahl (zu beraten und) zu entscheiden. Hier erfolgte jedoch wiederum keine Abstimmung. Es wurde vielmehr auf Antrag der Fraktion Die Linke ohne Aussprache eine Überweisung in den Ausschuss für Personal, Haushalt, Investitionen, Rechnungsprüfung und Wirtschaftsförderung vorgenommen. Diese `doppelte´ Verschiebung der Abstimmung war – wie berichtet wurde – dem Umstand einer mangelnden Anwesenheitsgarantie einer demokratischen Mehrheit in den Sitzungen geschuldet und sollte eine Abberufung mit Stimmen der AfD-Fraktion ausschließen..
    • (23b) Dem Übereilungsschutz steht jedoch die Verfahrensautonomie der BVV (ausführlich § 8) grundsätzlich gegenüber, die nach herrschender und zutreffender Auffassung das Recht ein-schließt, Regelungen zum Geschäftsgang und zur Behandlung von formellen Anträgen zu treffen. Hat die BVV für Wahlvorschläge zum BA oder Abberufungsanträge keine Sonderregelungen ge-troffen, finden die allgemeinen Regelungen Anwendung, soweit sie nicht im Widerspruch zu höher-rangigem Recht stehen. Ein Vertagungs- oder Überweisungsantrag ist in diesem Sinn zulässig, soweit keine längere Verzögerung (`Verschleppung´) eintritt36Vgl. Fn. 34. Da eine Abstimmung unmittelbar nach der zweiten Beratung durchgeführt werden „kann“, besteht ein ent-sprechender Raum für Verfahrensschritte, die eine vorherige informelle Beratung (Vertagung) oder Vorberatung (Aus-schussüberweisung) zulässt.. Zu beachten ist in diesem Zusam-menhang zwar auch die Arbeitsfähigkeit des BA. Soweit ein Mitglied des Kollegialorgans durch ein schwebendes Abberufungsverfahren in seiner Handlungsfähigkeit beeinträchtigt wird, was wiede-rum negativ auf die Handlungsfähigkeit des ganzen Bezirksorgans zurückwirkt, würde der Überei-lungsschutz überspannt. Es ist davon auszugehen, dass höchstens zwei Monate nach der Einbrin-gung eines Abberufungsantrages bis zur Entscheidung durch Abstimmung verstreichen dürften37Nicht unüblich wird die zweimalige Beratung in ordentlichen, d. h. monatlichen Sitzungen durchgeführt; sollte im Aus-nahmefall eine Überweisung in einen Ausschuss erfolgen, der gleichfalls regelmäßig zu monatlichen Sitzungen zusam-men kommt, würde sich die Abstimmung etwa um einen Monat verschieben. Im vorliegenden Fall beanstandete das BA das Verfahren nicht. Der genannte Ausschuss gab in seiner Sitzung am 24. März 2025 allerdings kein Votum ab. Der Abberufungsantrag wurde daraufhin in der Sitzung der BVV am 26. März 2025 angenommen (41 Jastimmen, 8 Nein-stimmen).. Treten im Verhalten des Mitgliedes des BA in diesem Zeitraum jedoch weitere (außergewöhnliche) Umstände auf, die ggf. zu einer entsprechenden Beurteilung durch die politischen Kräfte führen, ob Vertrauen zerstört ist, ist gegen eine angemessene Verlängerung dieser Überlegungsfrist nichts zu besorgen.
  24. Deutlich zu unterscheiden von einer mit Rechtsfolgen ausgestatteten erfolgreichen Abberu-fung ist ein Beschluss der BVV über die Missbilligung der Amtsführung eines Mitgliedes des BA. Diese im Rahmen des Kontrollrechts der BVV (ausführlich § 17) geübte Kritik an der Geschäftsfüh-rung des Verwaltungsorgans verbunden mit einer Zuordnung der (persönlichen) Verantwortung der Abteilungsleitung zeitigt lediglich kommunalpolitische Schlussfolgerungen. Eine erfolgreiche Miss-billigung in der BVV ist mitunter die Vorstufe (Vorbereitung) einer Abwahl.

Gesetz zur Abbildung der Stärkeverhältnisse in der Bezirksverordnetenversammlung im Bezirksamt infolge der Wiederholungswahl des Abgeordnetenhauses am 12. Februar 2023 vom 23. März 2023 (GVBl. S. 110)

§ 1

Ziel des Gesetzes Ziel des Gesetzes ist es, einmalig Wahlen von den gemäß § 34 Absatz 1 Satz 1 des Bezirksverwaltungsgeset-zes in der Fassung vom 10. November 2011 (GVBl. S. 692), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 27. August 2021 (GVBl. S. 982) geändert worden ist, vorgesehenen Mitgliedern der Bezirksämter innerhalb der 19. Legislaturperiode des Abgeordnetenhauses von Berlin zu ermöglichen, um die in Folge der Wiederho-lungswahlen am 12. Februar 2023 geänderten Mehrheits- und Stärkeverhältnisse in den Bezirksver-ordnetenversammlungen widerspiegeln und das Proporzprinzip einhalten zu können.

§ 2 Wahlvorschläge der Fraktionen

(1) Haben sich die Stärkeverhältnisse in einer Bezirksverordnetenversammlung infolge der Wiederholungs-wahlen dahingehend geändert, dass die auf Grund der nach dem Höchstzahlverfahren (d´Hondt) berechne-ten Wahlvorschläge der Fraktionen gebildete Zusammensetzung des Bezirksamtes nicht mehr dem Stärke-verhältnis in der Bezirksverordnetenversammlung entspricht, kann jede Fraktion, der danach ein weiteres Vorschlagsrecht zusteht, ein weiteres Mitglied für das Bezirksamt zur Wahl vorschlagen. Die Zusammenset-zung des Bezirksamtes gemäß § 34 Absatz 1 Satz 1 des Bezirksverwaltungsgesetzes bleibt unberührt. (2) Wurden vor den Wiederholungswahlen mehrere Mitglieder des Bezirksamtes auf Grund von Wahlvor-schlägen einer Fraktion gewählt, der nach dem Stärkeverhältnis auf Grund der Ergebnisse der Wiederho-lungswahlen weiterhin Vorschlagsrechte zustehen, teilt diese Fraktion der Bezirksverordnetenvorsteherin oder dem Bezirksverordnetenvorsteher innerhalb eines Monats nach dem ersten Zusammentritt der Be-zirksverordnetenversammlung nach den Wiederholungswahlen schriftlich oder elektronisch mit, an welchem Mitglied oder welchen Mitgliedern des Bezirksamtes sie festhält. Andernfalls erfolgt die Neuwahl für das auf Grund der niedrigsten Höchstzahl jener Fraktion nach d’Hondt vorgeschlagene Bezirksamtsmitglied.

§ 3 Neuwahl der Bezirksbürgermeisterin oder des Bezirksbürgermeisters

(1) Abweichend von § 35 des Bezirksverwaltungsgesetzes ist durch eine infolge der Wiederholungswahlen in ihrer Zusammensetzung veränderte Bezirksverordnetenversammlung einmalig eine Neuwahl einer Bezirks-bürgermeisterin oder eines Bezirksbürgermeisters für die verbleibende Dauer der 19. Wahlperiode des Ab-geordnetenhauses von Berlin vorzunehmen, wenn hierfür ein Wahlvorschlag gemäß Absatz 2 vorliegt. (2) Bei dieser Neuwahl gilt das Vorschlagsrecht der stärksten Fraktion nach dem Höchstzahlverfahren (d’Hondt). Gemeinsame Wahlvorschläge von mehreren Fraktionen gelten als Wahlvorschläge einer Frakti-on. Diese sind auf die Wahlvorschlagsrechte der an dem gemeinsamen Wahlvorschlag beteiligten Fraktionen anzurechnen. (3) Gewählt wird mit der Mehrheit der Mitglieder der Bezirksverordnetenversammlung. Kommt eine Wahl nicht zustande, so findet ein zweiter Wahlgang statt. Kommt die Wahl auch in diesem Wahlgang nicht zu-stande, so ist gewählt, wer in einem weiteren Wahlgang die meisten Stimmen erhält. In einem solchen dritten Wahlgang sind auf Vorschlag mindestens einer Fraktion auch außerhalb des Vorschlagsrechtes nach Absatz 2 weitere Kandidaturen zulässig, auch solche bisheriger Bezirksbürgermeisterinnen oder Bezirksbürger-meister. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Mit der Neuwahl scheidet die bisherige Bezirksbürgermeisterin oder der bisherige Bezirksbürgermeister aus dem Bezirksamt aus; es sei denn, dass sie oder er gemäß § 2 Absatz 2 Mitglied des Bezirksamtes bleibt oder nach Absatz 3 gewählt wurde.

§ 4 Neuwahl der stellvertretenden Bezirksbürgermeisterin oder des stellvertretenden Bezirksbürgermeisters

Eine Neuwahl der stellvertretenden Bezirksbürgermeisterin oder des stellvertretenden Bezirksbürgermeisters ist einmalig vorzunehmen, soweit es notwendig ist, um das Vorschlagsrecht nach d’Hondt zu sichern. Mit der Neuwahl scheidet die bisherige stellvertretende Bezirksbürgermeisterin oder der bisherige stellvertretende Bezirksbürgermeister aus dem Bezirksamt aus, es sei denn, dass sie oder er gemäß § 2 Absatz 2 Mitglied des Bezirksamtes bleibt.

§ 5 Neuwahl von Bezirksstadträtinnen und Bezirksstadträten

Abweichend von § 35 des Bezirksverwaltungsgesetzes ist durch eine infolge der Wiederholungswahlen in ih-rer Zusammensetzung veränderte Bezirksverordnetenversammlung einmalig auf Grund eines Wahlvorschla-ges nach § 35 Absatz 2 des Bezirksverwaltungsgesetzes eine Neuwahl von Bezirksstadträtinnen und Bezirks-stadträten für die verbleibende Dauer der Wahlperiode vorzunehmen, soweit die Zusammensetzung des Be-zirksamts nicht mehr dem Stärkeverhältnis der Fraktionen in der Bezirksverordnetenversammlung ent-spricht. Mit der Neuwahl scheidet die bisherige Amtsinhaberin oder der bisherige Amtsinhaber aus dem Be-zirksamt aus; es sei denn, dass sie oder er gemäß § 2 Absatz 2 Mitglied des Bezirksamtes bleibt.

§ 6 Ausgeschiedene Bezirksamtsmitglieder

(1) Ein infolge der Wiederholungswahlen nach den §§ 3 bis 5 ausgeschiedenes Mitglied des Bezirksamtes wird mit der Ernennung des neu gewählten Bezirksamtsmitglieds bis zum Ablauf seiner Amtszeit von der Amtsausübung entbunden. (2) Bis zum Ablauf seiner Amtszeit erhält es die Bezüge weiter, die ihm am Tage vor dem Ausscheiden aus dem Bezirksamt zustanden. Änderungen beim Familienzuschlag sind zu berücksichtigen. Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit während der Zeit, in der das ausgeschiedene Bezirksamtsmitglied nach Absatz 1 von der Amtsausübung entbunden ist, ist zulässig. Bezieht ein nach Absatz 1 von der Amtsausübung entbundenes ausgeschiedenes Bezirksamtsmitglied Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen im Sinne des § 53 Absatz 7 des Landesbeamtenversorgungsgesetzes vom 21. Juni 2011 (GVBl. S. 266), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 10. Februar 2023 (GVBl. S. 66) geändert worden ist, verringern sich die nach Satz 1 weiter gewährten Bezüge um den Betrag dieser Einkünfte. Ist ein Mitglied des Bezirksamtes ausgeschieden und hat ein Mandat in der Bezirksverordnetenversammlung oder im Abgeordnetenhaus von Berlin angenommen, wird die dafür gewährte Entschädigung auf die nach Satz 1 weiter gewährten Bezüge angerechnet. (3) Mit dem Ablauf der Zeit, für die das aus dem Bezirksamt ausgeschiedene Bezirksamtsmitglied ernannt ist, tritt das Bezirksamtsmitglied in den Ruhestand, wenn es bei Verbleiben im Amt nach § 3a Absatz 2 des Be-zirksamtsmitgliedergesetzes in der Fassung vom 1. April 1985 (GVBl. S. 958), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 15. November 2022 (GVBl. S. 621) geändert worden ist, in den Ruhestand getreten wäre; es gilt als entlassen, wenn es bei Verbleiben im Amt nach § 3a Absatz 3 des Bezirksamtsmitgliedergesetzes ent-lassen wäre. Dabei wird die Zeit, für die nach Absatz 2 Satz 1 die Bezüge weitergewährt werden, in die nach § 3a Absatz 2 des Bezirksamtsmitgliedergesetzes geforderte Zeit der Angehörigkeit zu einem Bezirksamt ein-gerechnet.

§ 7 Ausgleichszulage

(1) Eine ausgeschiedene Bezirksbürgermeisterin oder ein ausgeschiedener Bezirksbürgermeister, die oder der infolge der Wiederholungswahl Mitglied des Bezirksamtes bleibt, erhält eine ruhegehaltfähige Aus-gleichszulage in entsprechender Anwendung von § 13 des Bundesbesoldungsgesetzes in der Überleitungsfas-sung für Berlin vom 21. Juni 2011 (GVBl. S. 266), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 10. Februar 2023 (GVBl. S. 58) geändert worden ist, wenn sie oder er nicht in mindestens der gleichen Rechtsstellung erneut in ein Bezirksamt gewählt wird. Die Ausgleichszulage entfällt, wenn sie oder er nach Ablauf seiner Amtszeit erneut in gleicher Rechtsstellung in ein Bezirksamt gewählt wird. (2) Für eine stellvertretende Bezirksbürgermeisterin und einen stellvertretenden Bezirksbürgermeister gilt Absatz 1 entsprechend.

§ 8 Eintritt in die Bezirksverordnetenversammlung

Für ein infolge der Wiederholungswahlen ausgeschiedenes Mitglied des Bezirksamtes findet § 26 Absatz 4 Satz 1 des Landeswahlgesetzes vom 25. September 1987 (GVBl. S. 2370), das zuletzt durch Gesetz vom 4. Mai 2021 (GVBl. S. 414) geändert worden ist, für die 19. Legislaturperiode des Abgeordnetenhauses keine Anwendung. Soweit ein Mitglied des Bezirksamts aus diesem Amt ausscheidet, um sein Mandat in der Be-zirksverordnetenversammlung anzunehmen, gelten für diese Person die Regelungen des § 6 entsprechend, solange und soweit das Mandat in der 19. Legislaturperiode in der Bezirksverordnetenversammlung nicht niedergelegt wird.

§ 9 Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin in Kraft.

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  • 1
    Mudra, Anmerkung zu § 35 Abs. 1.
  • 2
    Vgl. Bezirksverwaltungsgesetz vom 30. Januar 1958 (GVBl. S. 126); die Änderung erfolgte durch § 10 des Gesetzes über die Rechtsstellung der Bezirksamtsmitglieder vom 12. Juli 1960 (GVBl. S. 652).
  • 3
    Michaelis/Krammerbauer in Driehaus, VvB, Art. 69 Rn. 2, 4. Auflage.
  • 4
    Urteil des BVerfG vom 25. Juli 2012 (2 BvF 3/11, 2 BvR 2670/11, 2 BvE 9/11 [VR 11/2012, S. 386ff]).
  • 5
    Vgl. auch Beschluss des OVG vom 30. Dezember 1999 (8 SN 319/99).
  • 6
    Driehaus, VvB a. F., Art. 99 Rz. 1; auch Mudra, Anmerkung zu § 35 Abs. 2; Musil/Kirchner, Rz 341; Zivier, Rz. 91.2.3. Aus Anlass der Bezirksamtsbildung in Friedrichshain-Kreuzberg zu Beginn der 17. Wahlperiode: Husein, Timur, Noch-mals: Die Wahl der Mitglieder der Berliner Bezirksämter – d`Hondt oder Hare-Niemeyer? (LKV 4/2013, S. 164ff).
  • 7
    Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 40 Rn 44; einschlägige Judikatur erging nach der Aufnahme des Höchstzahlverfahrens nach d`Hondt in die verfassungs- und einfachgesetzlichen Normen (ausführlich Vor § 1) nicht. Auch die Kommentarliteratur hat ihren Ausgangspunkt beim historischen Gesetzgeber des Dritten Gesetzes zur Änderung des Bezirksverwaltungsge-setzes und anderer Gesetze vom 24. Juni 1971 (GVBl. S. 1056) bzw. der maßgeblichen Protokollnotiz des Innenaus-schusses. Zu diesem Zeitpunkt war die parteipolitische Konstellation jedoch grundlegend anders: In einem Dreiparteien-system (SPD, CDU, FDP) war das (teilweise kontroverse) Ziel, die Bildung des BA ohne eine angemessene Einbezie-hung der beiden größten politischen Kräfte zu verhindern. Ein atypischer Sachverhalt, der eine Abweichung von diesem Zählverfahren gerechtfertigt hätte, war bei drei Bezirkswahlvorschlägen über der maßgeblichen Sperrklausel nicht vor-stellbar.
  • 8
    Vgl. Urteile des BVerwG vom 17. August 1978 (V C 33/77) sowie vom 2. Juli 1992 (5 C 39/90).
  • 9
    Andere Auffassung: Putzer, Max, Die Wahl der Mitglieder der Berliner Bezirksämter – d`Hondt oder Hare-Niemeyer? (LKV 9/2012, S. 390ff).
  • 10
    Sitzverteilung (Beispiel) nach dem Höchstzahlverfahren (d`Hondt) Teiler Fraktion A Fraktion B Fraktion C Fraktion D Fraktion E Fraktion F übrige :01 241) 132) 4 4 3 3 4 :02 12,03) 06,55) :03 08,34) 04,3 :04 066) Fraktion A 4 Sitze Fraktion B 2 Sitze Fraktion C 0 Fraktion D 0 Fraktion E 0 Fraktion F 0
  • 11
    a) Sitzverteilung (Beispiel) nach nach Sainte-Laguë/Schepers (Divisoren sind 0,5, 1,5 oder 1, 3, 5 usw.; Zahlenbruch-teile unter 0,5 werden ab-, über 0,5 aufgerundet) Teiler Fraktion A Fraktion B Fraktion C Fraktion D Fraktion E Fraktion F übrige 24 13 4 4 3 3 4 :0,5 481) 262) 8 8 6 6 :1,5 16,03) 08,65) :2,5 09,64) 05,2 :3,5 06,86) :01 241) 132) 46) 4 3 3 :03 08,03) 04,35) :05 04,84) 02,6 :07 03,4 Fraktion A 3 Sitze Fraktion B 2 Sitze Fraktion C 1 Sitz Fraktion D 0 Fraktion E 0 Fraktion F 0 b) Sitzverteilung (Beispiel) nach Hare-Niemeyer (mit mathematischer Auflösung der Pattsituation sinngemäß nach § 35 Abs. 2 Satz 3 BezVG) Fraktion A 24 : 55 x 5 = 2,18 2 Sitze Fraktion B 13 : 55 x 5 = 1,18 1 Sitz Fraktion C 04 : 55 x 5 = 0,36 1 Sitz Fraktion D 04 : 55 x 5 = 0,36 1 Sitz Fraktion E 03 : 55 x 5 = 0,27 1 Sitz Fraktion F 03 : 55 x 5 = 0,27 0.
  • 12
    Protokollnotiz des Ausschusses für Inneres vom 18. Juni 1971 (Inn 6/3) bzw. Plenarprotokoll 6/9 vom 24. Juni 1971; vgl. auch Vor § 1 Fn22.
  • 13
    Ein Bespiel zum Höchstzahlverfahren nach dem endgültigen Ergebnis der Wahlen zur BVV Charlottenburg-Wilmersdorf, Der Landeswahlleiter vom 13. Oktober 2006 (ABl. S. 3757): Teiler SPD-Fraktion CDU-Fraktion Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen FDP-Fraktion :01 20,01 16,02 10,03 *) 05,0 :02 10,04 *) 08,05 05,0 02,5 :03 06,666 05,33 03,33 01,66 :04 05,0 04,0 02,5 01,25 *) Stimmverhältnis (Grüne 24.772; SPD 47.853 : 2 = 23.926).
  • 14
    Beschluss des VerfGH vom 15. Oktober 1992 (40/92) zur Anwendung von Art. 87a Abs. 2 Satz 4 der Verfassung von Berlin vom 1. September 1950 (VOBl. I S. 433, zuletzt geändert durch Art. I des Gesetzes zur Änderung der Verfassung von Berlin vom 2. April 1992 (GVBl. S. 111). Der der Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt war `pikant´: durch Fraktionswechsel (von GAL zu SPD) vor der Wahl des BA wurde die REP-Fraktion in der BVV Kreuzberg um ihr Vor-schlagsrecht gebracht; nach `erfolgreicher´ BA-Wahl legte der BV zeitnah sein Mandat nieder, ein Nachrücker aus dem Bezirkswahlvorschlag der GAL stellte die Mehrheits- und Stärkeverhältnisse, wie sie sich aus dem Wahlergebnis vom 24. Mai 1992 ergeben hatten, wieder her (der zurückgetretene BV wurde von der SPD-Fraktion anschließend durch die Wahl zum BD in einem Ausschuss `belohnt´).
  • 15
    Beschluss des OVG vom 21. August 1992 (8 S 259/92).
  • 16
    Ebd.
  • 17
    Kommunalverfassungen anderer Bundesländer sehen mitunter diese Möglichkeit vor: vgl. u. a. § 50 Abs. 3 GO NRW in Verbindung mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2003 (8 C 18/03).
  • 18
    Musil/Kirchner, Rz 338.
  • 19
    Leitsätze des Beschlusses des BVerfG vom 22. März 2022 (2 BvE 9/20); auch: Urteil des BVerwG vom 10. April 2025 (2 C 12/24).
  • 20
    Beschluss des VG vom 31. Oktober 2023 (2 L 363/23) mit Bezug auf den Beschluss des BVerfG vom 22. März 2022 (2 BvE 9/20), bestätigt durch den Beschluss des OVG vom 29. Februar 2024 (12 S 37/23).
  • 21
    In der Übergangsphase zwischen dem Ende der einen und Beginn der neuen Wahlperiode tritt mitunter jedoch der Fall ein, dass eine Fraktion die Wiederwahl eines Mitglieds des BA vorschlägt, das zu diesem Zeitpunkt Mitglied der BVV, d. h. der Fraktion, ist (`Spitzenkandidat´). Diese Konstellation ist zulässig (§ 26 Abs. 4 Satz 2 Landeswahlgesetz).
  • 22
    Musil/Kirchner, Rz 343; nach § 242 BGB im Sinne einer Handlung gegen Treu und Glauben, was auch im öffentlichen Recht zu beachten ist.
  • 23
    Siegel/Waldhoff, § 1 Rz 316, Musil/Kirchner, Rz 344. Die Bezirksaufsicht wurde von der BV-Vorst. anlässlich der Wahl zum BA Pankow um entsprechende Prüfung gebeten. Eine verbindliche Weisung zur Durchführung einer positiven Wahl nach § 12 AZG musste jedoch nicht erlassen werden; zur „Verwirkung“ des Vorschlagsrechts vgl. u. a. Beschluss des VG vom 22. August 1975 (I A 283/75) zur Bildung in der BVV Zehlendorf (WUB ./. CDU).
  • 24
    Unter Abwägung der betroffenen Rechtsgüter wäre ein mit drei oder vier Mitgliedern rechtlich handlungsfähiges BA zumindest für einen Zeitraum von etwa sechs Monaten eher hinzunehmen als eine `Zwangswahl´ durch demokratisch gewählte BV.
  • 25
    Formell erlischt sie nach der erfolgreichen Wahl; in der Praxis ist sie jedoch mit inhaltlichen Absprachen, Festlegungen usw. (bis hin zu schriftlich fixierten Vereinbarungen) verbunden, die über den Wahltermin hinaus ihre Wirkung entfalten (sollen). Eine Rechtsfolge der Aufkündigung einer derartigen Koalition tritt allerdings nicht ein; sie ist vielmehr kommu-nalpolitisch zu bewerten.
  • 26
    Rechtliche Hinweise; Urteil des VG vom 8. Juni 1998 (26 A 43/96) zur Entscheidung der Bezirksaufsicht, eine solche Wahl in der BVV Prenzlauer Berg aufzuheben.
  • 27
    Ebd.
  • 28
    Musil/Kirchner, Rz 341.
  • 29
    Michaelis/Krammerbauer in Driehaus, VvB, Art. 76 Rn. 1; vgl. auch Urteil des BVerwG vom 14. Januar 1965 (II C 53/62 [BVerwGE 20, 166]), das die verfassungsrechtliche Vereinbarkeit der Abberufung eines gemeindlichen Bürgermeisters in Schleswig-Holstein feststellte; Musil/Kirchner, Rz 346; Mudra, Anmerkung zu § 35 („Kehrseite des Wahlrechts“). Da es sich um eine außergewöhnliche Maßnahme handelt, werden die Initiatoren eines Abberufungsantrags im Regelfall eine schriftliche Begründung mit kommunalpolitischem Bezug vorlegen – als Teil der entsprechenden Drucksache oder zu-mindest in anderer Form öffentlichkeitswirksam -, um ihren Standpunkt plausibel zu machen.
  • 30
    Vgl. (im Hinblick auf in dieser Hinsicht gleiche Voraussetzungen bei der Wahl bzw. Abberufung) Beschluss des OVG Mecklenburg-Vorpommern vom 20. Mai 2008 (2 M 50/08); unter Bezugnahme auf die Urteile des Thüringischen OVG vom 21. November 1995 (2 KO 175/94) und des Niedersächsischen OVG vom 17. Dezember 1991 (10 L 23/89) wäre ei-ne Abberufung ausnahmsweise nur dann unzulässig, wenn sie in offenkundiger und eklatanter Weise (z. B. mittels Stimmenkauf) missbraucht wird (DÖV, Oktober 2008, S. 876).
  • 31
    Michaelis/Krammerbauer in Driehaus, VvB, Art. 76 Rn. 1; Musil/Kirchner, Rz 346; Mudra, Anmerkung zu § 35 Abs. 3; den BV bleibt zwar jederzeit der Weg der Kritik an Mitgliedern des BA über einen Abberufungsantrag; die interessierte Öffent-lichkeit würde regelmäßig auftretende personelle Auseinandersetzungen und damit die Zurückdrängung der sachlich ori-entierten Kommunalpolitik jedoch nicht goutieren; die Abwahl eines Mitgliedes des BA wird daher die Ausnahme bleiben, um die Antragsteller nicht politisch zu desavouieren.
  • 32
    Wolf, Dr. Robert, Das Berliner Bezirksverwaltungsrecht nach den Wahlen vom 18.9.2011 (LKV 6/2012, S. 248ff).
  • 33
    Die Verweisung auf das Beamtenversorgungsrecht des Bundes gestaltet sich nach Artikel 1 des Gesetzes zur Ände-rung des Grundgesetzes (Art. 22, 23, 33, 52, 72, 73, 74, 74a, 75, 84, 85, 87c, 91a, 91b, 93, 98, 104a, 104b, 105, 107, 109, 125a, 125b, 125c, 143c) vom 28. August 2006 (BGBl. I S. 2034), der nach Artikel 2 der Norm am Tag nach der Ver-kündung in Kraft trat (Stichwort: „Föderalismusreform I“) durch den Verlust der konkurrierenden Gesetzgebungskompe-tenz des Bundestags bei Landes- und Kommunalbeamten und Richtern etwas kompliziert: Nach § 2 des Gesetzes zur Überleitung und Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes in der Bekanntmachung der Neufassung vom 16. März 1999 (BGBl. I S. 322, 874, 2033), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 19. Juli 2006 (BGBl. I S. 1652), ist das BeamtVG im Rechtszustand vom 31. August 2006 anzuwenden. § 66 Abs. 8 BeamtVG wurde zwar durch Art. 4 Nr. 43 Buchstabe c) des Gesetzes zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts (Dienstrechtsneuord-nungsgesetz – DNeuG) vom 5. Februar 2009 aufgehoben (vgl. auch Begründung zu Art. 4 Nr. 3 des Regierungsentwurfs zu dem genannten Gesetz vom 12. November 2007 [16/7076]). Darauf kommt es jedoch nicht an. Völlig anders hinge-gen ist der Rücktritt eines BA-Mitglieds zu beurteilen: Es handelt sich um eine Entlassung auf Verlangen nach § 33 Abs. 1 Satz 1 BBG, nach der regelmäßig kein Versorgungsanspruch besteht (§ 39 Satz 1 BBG). Einer Abberufung ist nach den Urteilen des VG vom 5. April 2006 (5 A 170/02), OVG Berlin-Brandenburg vom 29. Juni 2007 (4 B 6/06) und BVerwG vom 25. Juni 2009 (2 C 47/07) der Fall einer nicht erfolgten „Wiederwahl“ bei vorzeitiger Beendigung der Wahl-periode gleichzusetzen. Die Entscheidungen gehen auf die vorzeitige Beendigung der Wahlperiode im Herbst 2001 in Pankow zurück.
  • 34
    Rechtliche Hinweise.
  • 35
    Hintergrund dieser Rechtsmeinung war ein Abberufungsverfahren aus ungewöhnlichem Anlass in Friedrichshain-Kreuzberg: Durch die Fraktion Die Linke wurde zur Sitzung der BVV am 29. Januar 2025 ein Antrag auf Abwahl eines Stadtrats und zugleich stellvertretenden BzBm eingebracht. Er war nach der Wahl am 26. September 2021 ursprünglich auf ihren Vorschlag – neben einem weiteren Sitz im BA – von der BVV gewählt worden. Nach der Wiederholungswahl am 12. Februar 2023 blieb diese politische Kraft zwar die zweitstärkste Gruppierung, erzielte jedoch deutlich weniger Stim-men, so dass sie ein Wahlvorschlagsrecht verlor. Die Fraktion benannte zur Beibehaltung den bezeichneten Stadtrat und zugleich stellvertretenden BzBm. Das zweite Mitglied im BA wurde sodann durch einen erfolgreichen Wahlvorschlag der CDU-Fraktion ersetzt. Ende Oktober 2025 erklärte er seinen Austritt aus der Partei Die Linke. Die Fraktion in der BVV nahm dies zunächst hin. Im Verlauf des Januars 2025 trat dieses Mitglied des BA jedoch der SPD bei, die somit – neben einem zustehenden Sitz im BA – mit zwei Mitgliedern im Kollegialorgan, die Linke überhaupt nicht mehr vertreten war. Über den Abwahlantrag wurde in der genannten Sitzung in erster Lesung beraten. Die zweite Lesung war für den 26. Februar 2025 vorgesehen und stand auf der Tagesordnung der BVV. In dieser Sitzung stellte die Fraktion Die Linke so-gleich einen Antrag auf Vertagung. Infolge der Annahme wurde dann auf Antrag der SPD-Fraktion eine außerordentliche Sitzung der BVV für den 5. März 2025 einberufen mit dem alleinigen Tagesordnungspunkt, über die Abwahl (zu beraten und) zu entscheiden. Hier erfolgte jedoch wiederum keine Abstimmung. Es wurde vielmehr auf Antrag der Fraktion Die Linke ohne Aussprache eine Überweisung in den Ausschuss für Personal, Haushalt, Investitionen, Rechnungsprüfung und Wirtschaftsförderung vorgenommen. Diese `doppelte´ Verschiebung der Abstimmung war – wie berichtet wurde – dem Umstand einer mangelnden Anwesenheitsgarantie einer demokratischen Mehrheit in den Sitzungen geschuldet und sollte eine Abberufung mit Stimmen der AfD-Fraktion ausschließen.
  • 36
    Vgl. Fn. 34. Da eine Abstimmung unmittelbar nach der zweiten Beratung durchgeführt werden „kann“, besteht ein ent-sprechender Raum für Verfahrensschritte, die eine vorherige informelle Beratung (Vertagung) oder Vorberatung (Aus-schussüberweisung) zulässt.
  • 37
    Nicht unüblich wird die zweimalige Beratung in ordentlichen, d. h. monatlichen Sitzungen durchgeführt; sollte im Aus-nahmefall eine Überweisung in einen Ausschuss erfolgen, der gleichfalls regelmäßig zu monatlichen Sitzungen zusam-men kommt, würde sich die Abstimmung etwa um einen Monat verschieben. Im vorliegenden Fall beanstandete das BA das Verfahren nicht. Der genannte Ausschuss gab in seiner Sitzung am 24. März 2025 allerdings kein Votum ab. Der Abberufungsantrag wurde daraufhin in der Sitzung der BVV am 26. März 2025 angenommen (41 Jastimmen, 8 Nein-stimmen).