§ 20 Bürgerdeputierte
Bürgerdeputierte sind sachkundige Bürgerinnen und Bürger, die stimmberechtigt an der Arbeit der Ausschüsse der Bezirksverordnetenversammlung teilnehmen. Auch Personen, die nicht Deutsche im Sinne des Artikels 116 Absatz 1 des Grundgesetzes sind, können Bürgerdeputierte werden. Bei den in den Integrationsausschuss zu wählenden Bürgerdeputierten sollen insbesondere Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund im Sinne des § 2 des Partizipations- und Integrationsgesetzes berücksichtigt werden.
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Die Beteiligung von ehrenamtlich tätigen Bürgerinnen und Bürgern in Ausschüssen der BVV, die nicht unmittelbar von der Wahlbevölkerung gewählt werden, hat Verfassungsrang1. Dass es sich dabei um „eine überkommene Einrichtung bürgerschaftlicher Mitverwaltung in den Bezirken“2 handelt, kann nicht ungeteilte Zustimmung finden. Vielmehr kommt dem Wirkungskreis dieser Personengruppe in der Praxis nach wie vor eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu. In diesem Sinn sollen BD in den Ausschüssen bei der Beratung kommunalpolitischer Angelegenheiten in ständigem Auftrag die Belange der gesamten Einwohnerschaft des Bezirks implementieren. Der Gedanke dieses Elements direkter Demokratie fand sich bereits in der Urfassung des Bezirksverwaltungsrechts3. Voraussetzung für diesen Weg einer verbreiterten Entscheidungsfindung (also über die Mitglieder der BVV hinaus) ist jedoch eine stetige Rückkoppelung mit dem „Auftraggeber“, der Wahlbevölkerung. In der Praxis funktioniert diese idealtypische Form der demokratischen Willensbildung nur bedingt. Obwohl BD keiner Fraktion angehören (ausführlich § 5), sind sie in der Regel parteipolitisch gebunden bzw. deutlich orientiert Änderung vom 01.01.2022und beziehen insofern entsprechende Informationen im Wesentlichen über die Fraktion, die sie zur Wahl vorgeschlagen hat (ausführlich § 21). Da dieser Personenkreis mitunter im „vorparlamentarischen Raum“ bezirklicher Vereine, Verbandsorganisationen usw. wirkt (und gerade aus diesem Grund von einer Fraktion auf die Vorschlagsliste gesetzt wird), haben BD jedoch - anders als BV - häufig einen engen (ggf. verengten) fachlichen Zugang zu kommunalpolitischen Angelegenheiten.
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Die Teilnahme der BD in Ausschüssen nach Satz 1 ist hinsichtlich ihres Rechtscharakters im wesentlichen identisch mit der dortigen Stellung der BV, sie haben - mit Ausnahme der Möglichkeit, im Ausschussvorstand (ausführlich § 9) zu wirken - gleiche Rechte und Pflichten und sind ohne Zweifel „ordentliche Ausschussmitglieder“4. Das ausdrücklich genannte Stimmrecht der BD schließt ein Rede- und Antragsrecht ein. Zu den Pflichten zählt auch, die gewissenhafte Erfüllung ihrer Obliegenheiten (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VerpflG) durch Unterschrift auf der Niederschrift (ausführlich § 7) zu bestätigen. Für den JHA gelten teilweise spezielle Regelungen (ausführlich § 33).
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Von Bedeutung für eine beanstandungsfreie Wahrnehmung der Ausschussfunktion ist, ob das jeweilige „Produkt“ (im Regelfall eine Beschlussempfehlung, ein Beschlussvorschlag) rechtmäßig zustande kommt. Dazu zählt insbesondere, dass die Mitglieder ihre Rechte ausüben durften und ihre Pflichten eingehalten haben. Da lediglich für BV bezirksverwaltungsrechtliche Normen zur Befangenheit (ausführlich § 11) bestehen und einer Anwendung dieser Vorschrift auf das Wirken der BD in Ausschüssen (z. B. durch Verweisung in § 9) bereits der eindeutige Wortlaut entgegen steht, kommt eine unmittelbare Ausdehnung auf sie nicht in Betracht5. Gleichwohl erstrecken sich die verwaltungsverfahrensrechtlichen Beschränkungen der Mitwirkung in einem Fall der Befangenheit sinngemäß auch auf diesen Personenkreis6. Zwar ist die Aufgabenwahrnehmung eines Ausschusses kein Verwaltungsverfahren (§ 9 VwVfG), weil es meist an einer Außenwirkung mangelt, die Anwendung der hierfür normierten Grundsätze auf kommunale Vertretungsgremien wird jedoch überwiegend bejaht7.
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Die Ausgestaltung der verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen zu Befangenheitstatbeständen bei BD darf die BVV durch ihre GO vornehmen (ausführlich § 9). In diesem Zusammenhang sind die Prämissen des § 20 Abs. 4 VwVfG8 zu beachten. Im Fall der Besorgnis der Befangenheit eines BD - auch bei dessen Selbstablehnung - ist insoweit zwingend die Entscheidung des Ausschusses herbeizuführen; dem Vorsitz ist eine Alleinbeurteilungsbefugnis entzogen9.
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Mit der positiven Entscheidung der BVV, BD in einen Ausschuss zu wählen, und der der vorschlagsberechtigten Fraktionen (ausführlich § 21), bestimmte Personen zu einer besonderen Angelegenheit bzw. aus einer spezifischen Region zur Wahl zu stellen, ist die bezirkliche Vertretung in der Lage, (in gewissem Umfang) flexibel auf kommunalpolitisch aktuelle Erfordernisse zu reagieren10.
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Neben Personen, die über das Wahlrecht verfügen („Bürgerinnen und Bürger“), können nach Satz 2 der Norm auch alle übrigen, die die Voraussetzungen (ausführlich § 22) erfüllen, von der BVV zu stimmberechtigten Mitgliedern in Ausschüssen bestimmt werden. Der Sinngehalt dieser Vorschrift geht auf verwaltungsreformerische Überlegungen zurück11. Die Beschränkung des aktiven und passiven Wahlrechts zur BVV auf Angehörige der Mitgliedsstaaten der EU12 gilt jedoch nicht; vielmehr erfolgt durch die verfassungsrechtliche Verweisung13 eine grundsätzliche Öffnung auf die gesamte Einwohnerschaft. Auch dieser Umstand rechtfertigt die Annahme einer aktuellen Bedeutung dieser Teilhaberegelung.
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Nicht belegt.Änderung vom 01.01.2022
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Vgl. Art. 73 Abs. 2 VvB. ↩
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Michaelis/Krammerbauer in Driehaus, VvB, Art. 73 Rn. 6. „Deputierte“ sind Mitglieder einer Abordnung, die im Auftrag einer Versammlung einer politischen Körperschaft Wünsche oder Forderungen überbringen (Duden, Das große Fremdwörterlexikon, Mannheim 1994. ↩
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Neben bestimmt bezeichneten Ausschüssen aus ihrer Mitte setzte die BVV nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Bezirksverwaltungsgesetz vom 30. Januar 1958 (GVBl. S. 126) „zur Teilnahme an der Verwaltung des Bezirks nach Maßgabe der fachlichen Erfordernisse Deputationen ein und (gab) ihnen eine Geschäftsordnung.“ Die Einsetzung von Deputationen für Geschäftsbereiche, für die Ausschüsse eingesetzt sind, war nach Absatz 3 der genannten Vorschrift unzulässig. Die Zusammensetzung der Deputationen war nach § 20 dieser Regelung eine Mischung aus „Legislative“ und Exekutive: Die Deputationen bestanden aus
- dem zuständigen Mitglied des BA oder seinem Vertreter im Amt als Vorsitzendem,
- sechs BV,
- vier sachkundigen Wahlberechtigten (BD).
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Vgl. Rechtliche Hinweise. ↩
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Die Auslegung in den Rechtlichen Hinweisen bleibt für den streitigen Vollzug ohne hinreichende Begründung. ↩
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§ 88 VwVfG i. V. m. § 1 Abs. 1 VwVfGBln. ↩
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Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 88 Rn. 6a m. w. N. ↩
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Danach ist, hält sich ein BD für befangen oder bestehen Zweifel, ob die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 VwVfG gegeben sind, dies dem Vorsitz des Ausschusses mitzuteilen. Das Gremium entscheidet über den Ausschluss. Der BD darf an dieser Entscheidung nicht mitwirken. Das ausgeschlossene Mitglied darf bei der weiteren Beratung und Beschlussfassung (über die entsprechende Angelegenheit) nicht zugegen sein. Es hat vielmehr regelmäßig den Raum zu verlassen. ↩
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Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn. 50; bedeutsame Rechtsfolgen bei der Missachtung, also der rechtsfehlerhaften Mitwirkung eines BD, treten im Regelfall jedoch nicht auf, was dem Charakter eines Ausschusses als Vorberatungsgremium geschuldet ist. Eine in dieser Hinsicht unter einem formellen Mangel leidende Beschlussvorlage an die BVV kann von ihr geheilt werden. ↩
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Vgl. beispielhaft die Wahl der BD für den (Sonder-)Ausschuss Spreeraum der BVV Friedrichshain-Kreuzberg vom 24. September 2008 (0955/III), mit der den Initiatoren des erfolgreichen Bürgerentscheids „Spreeufer für alle!“ vom 13. Juli 2008 Sitz und Stimme eingeräumt wurde. Der durch die plebiszitäre Entscheidung aufgeworfene Sachkonflikt mit der BVV wurde insoweit konstruktiv gewendet. ↩
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Der Gesetzgeber wollte „die Möglichkeit der Mitarbeit von Ausländern“ als BD in Ausschüssen erreichen (Begründung des Antrags der Fraktionen der SPD und der AL über Fünftes Gesetz zur Änderung des Bezirksverwaltungsgesetzes vom 18. April 1989 (11/55) und bezog sich ausdrücklich auf den Zweiten (Schluss-)Bericht der Enquete-Kommission zur Verwaltungsreform vom 30. Mai 1984 (9/1829). Artikel I Nr. 7 des Gesetzes zur Änderung des Bezirksverwaltungsgesetzes und anderer Gesetze vom 6. Juli 1989 (GVBl. S. 1289) ergänzte (§ 20 Satz 2) insoweit folgerichtig: „Auch Ausländer können Bürgerdeputierte werden.“ ↩
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Vgl. Art. 39 Abs. 3 und 4 sowie Art. 70 Abs. 1 Satz 2 VvB. Wahlberechtigt sind alle, die am Tag der Wahl das 16. Lebensjahr vollendet, seit mindestens drei Monaten ununterbrochen in Berlin ihren Wohnsitz haben und nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen sind (§§ 1 Abs. 1, 22a Landeswahlgesetz). ↩
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Deutscher ist danach (vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung), wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling im Gebiet des Deutschen Reichs nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat.** ↩