§ 21 Wahl der Bürgerdeputierten

Absatz 1: Die Bürgerdeputierten werden auf Grund von Wahlvorschlägen der Fraktionen gewählt. Die Vorschläge sollen mindestens doppelt soviele Bewerberinnen und Bewerber enthalten, wie auf die einzelnen Fraktionen Sitze entfallen. Die sich bewerbenden Personen sollen die Vielfalt der Menschen mit Migrationsgeschichte im Sinne des § 3 Absatz 1 des Partizipationsgesetzes vom 5. Juli 2021 (GVBl. S. 842) im Bezirk hinreichend abbilden. Stellvertreterinnen und Stellvertreter der gewählten Bürgerdeputierten sind die auf demselben Wahlvorschlag an nächster Stelle stehenden Personen. Scheidet eine Bürgerdeputierte oder ein Bürgerdeputierter aus, so tritt an ihre oder seine Stelle die nächste Stellvertreterin oder der nächste Stellvertreter. Ist der Wahlvorschlag erschöpft, haben die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner ihn mindestens in dem für das Nachrücken erforderlichen Umfang zu ergänzen. Die gesetzliche Sonderregelung für den Ausschuss für Partizipation und Integration gemäß § 32 Absatz 2 Satz 3 bleibt unberührt.

  1. BD werden nicht von der Wahlbevölkerung bestimmt. Der Gesetzgeber hatte bei der Frage, in welcher Form die demokratische Legitimation erfolgen sollte, die Wahl zwischen einem Vorschlagsrecht über bestimmte Interessengruppen1 oder über die Parteien bzw. die Organisationseinheiten in der BVV, die die Parteien repräsentieren. Er hat durch Satz 1 in Kauf genommen, dass häufig Parteimitglieder vorgeschlagen (und gewählt) werden. Personen auf den jeweiligen Bezirkswahlvorschlägen, die nicht Mitglied der BVV geworden sind, können dadurch zumindest in Ausschüssen der BVV mitwirken. Eine Vorschrift über das Auswahlverfahren besteht nicht; so ist es zulässig, dass Kandidatinnen und Kandidaten durch (öffentlichen) Aufruf der Fraktionen ermittelt werden. Die direkte Ansprache von Vereinen, Verbänden, Bürgerinitiativen (im Sport- oder Sozialbereich oder aus dem Stadtteil) usw. ist genau so möglich wie die Werbung von Vertretungen aus anderen Gremien (z. B. Bezirksschulbeirat).

  2. Das Vorschlagsrecht von bis zu vier BD (ausführlich §§ 9, 32, 33) ist an den Status der Fraktion (ausführlich § 5) geknüpft (Ausnahmen: JHA, Ausschuss für Partizipation und Integration). Im Hinblick auf diesen Umfang sind nicht in jedem Fall alle Fraktionen in der BVV berechtigt, entsprechende sachkundige Einwohnerinnen und Einwohner vorzuschlagen. Vielmehr richtet sich das Wahlverfahren nach den Mehrheits- und Stärkeverhältnissen in der BVV. Ein Wahlvorschlag einer Fraktion kann jede Person beinhalten, die die persönlichen Voraussetzungen erfüllt (ausführlich § 22)2; Absprachen zwischen den vorschlagsberechtigten Fraktionen, ggf. auch Personen zu wählen, die weitere politische Kräfte in der BVV repräsentieren, sind zulässig. Der auf diese Weise gewählte BD zählt jedoch zu den von der jeweils vorschlagsberechtigten Fraktion einzunehmenden Sitzen im Ausschuss, weil bei dem Erfordernis der Spiegelung der Mehrheits- und Stärkeverhältnisse der BVV in den Ausschüssen die Verteilung der Ausschusssitze einschließlich der BD erfolgt (ausführlich § 9). Die freie Wahl in der BVV schließt zulässig die (wiederholte) Abweisung von Kandidaturen durch Nichtwahl ein (ausführlich Vor § 1).Änderung vom 30.09.2022

  3. Es ist nicht zu beanstanden, eine Person zum BD für Sitze in mehreren Ausschüssen zu wählen.

  4. Der Soll-Vorschrift, nach Satz 2 jeweils die doppelte Zahl von Personen in einen Wahlvorschlag aufzunehmen, wie Sitze mit BD besetzt werden dürfen, wird in der Praxis dadurch entsprochen, dass die vorschlagsberechtigten Fraktionen eine Gesamtliste von (ordentlichen) BD und Stellvertretungen für jeden Ausschuss, in dem BD hinzugewählt werden sollen (ausführlich § 9), zur Wahl stellen. Der Gesetzgeber hatte allerdings idealtypisch eine echte Auswahl durch die BVV vorgesehen. Dies ist systematisch jedoch mit dem Vorschlagsrecht der Fraktionen und dem erforderlichen Aushandlungsprozess über die Gesamtzahl der Ausschusssitze nicht in Einklang zu bringen.

  5. Die speziellen Regelungen für BD im Ausschuss für Partizipation und Integration nach Satz 3 fallen in systematischer Hinsicht aus dem Rahmen: Einerseits wären sie in der speziellen Vorschrift über die persönlichen Voraussetzungen3 zu verorten (§ 22), andererseits sind sie im Hinblick auf das Wahlvorschlagsrecht nach § 32 Absatz 2 Satz 3 nicht erforderlich, weil davon auszugehen ist, dass die auf der Liste nach § 17 Absatz 7 Satz 1 PartMigG eingetragenen Organisationen ausschließlich solche Personen zur Wahl vorschlagen. Zudem kollidiert die Norm mit der Gesamtanforderung in diesem Ausschuss, dass (lediglich) die Mehrheit dieser BD aus Personen mit Migrationsgeschichte bestehen soll (ausführlich § 32).

  6. Hat eine Fraktion das Recht auf mehrere Wahlvorschläge für BD in einem Ausschuss, besteht zwischen diesen Personen keine Reihenfolge; anders bei den Stellvertretungen nach Satz 4: Der Rang im Wahlvorschlag bestimmt die Reihenfolge der jeweils wahrzunehmenden Stellvertretung. Eine persönliche Stellvertretung besteht nicht. Der erste stellvertretende BD vertritt jeden (ordentlichen) BD in diesem Ausschuss. „Es liegt hier eine Gruppenstellvertretung, keine Einzelvertretung vor.“4 Ist ein stellvertretender BD verhindert zu vertreten, nimmt die nächste Person auf dem Wahlvorschlag den Sitz im Ausschuss wahr. Hinsichtlich der recht kurzen Ladungsfristen für Ausschusssitzungen sollte möglichst frühzeitig ersichtlich sein, wer vertritt. Die BD haben zwar in der Regel geschäftsordnungsrechtlich die Verpflichtung, Verhinderungen anzuzeigen; in der Praxis wird dieses „Handling“ allerdings häufig von der jeweiligen Fraktionsgeschäftsführung übernommen. Dies ist in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden, obwohl die BD keine Mitglieder der Fraktion sind.

  7. Die Zahl der zu benennenden (und in der BVV gewählten) stellvertretenden BD ist nach oben nicht begrenzt. Dies erleichtert den Vertretungsfall. Scheidet ein BD oder ein stellvertretender BD im Sinne von Satz 5 aus (ausführlich § 24), nimmt den Sitz die in der Liste der Stellvertretungen nächste Person ein. Einer Bestätigung in der BVV bedarf es nicht. Es handelt sich vielmehr um eine gesetzliche Folge der Konstituierung der Ausschüsse (durch Wahl von BD).

  8. Im Laufe der Wahlperiode kann jedoch der Fall eintreten, dass durch vorzeitiges Ausscheiden von BD die Liste des Wahlvorschlags einschließlich der Stellvertretungen erschöpft ist, ein Sitz im Ausschuss und eine Vertretung nicht (mehr) gewährleistet werden kann. Dann ist nach Satz 6 eine Nachwahl nach demselben Verfahren unbedenklich. Dieser Vorgang darf, soweit erforderlich, wiederholt werden.

8a Satz 7 enthält eine Verweisung auf die speziellen Regelungen zum Ausschuss für Integration und Partizipation (ausführlich § 32). Auch insoweit trägt Satz 3 nicht zur Rechtsklarheit bei (ausführlich Rdnr. 5).

Absatz 2: Die Wahl erfolgt für die Wahlperiode der Bezirksverordnetenversammlung.

  1. Die Verknüpfung mit der Dauer der Wahlperiode der BVV (ausführlich § 5) ergibt sich aus der Aufgabe der BD, (zusammen mit BV) in Ausschüssen zu wirken. Diese werden in der Regel ebenfalls für die Dauer der Wahlperiode gebildet. An diese Norm schließt die Rechtsfolge an, dass das Ende der Amtszeit eines jeden BD nur eintritt, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen bzw. eine Abberufung erfolgt (ausführlich § 24). Ein Widerruf eines in der BVV realisierten Wahlvorschlags durch die Fraktion ist dagegen unzulässig5. Der rechtliche Status dieses Personenkreises unterscheidet sich insoweit deutlich von dem der Mitglieder der BVV.

  2. Eine zwingende Benennung der BD zu Beginn der Wahlperiode (Konstituierung der BVV) geht mit der Regelung nicht einher. Der Zeitpunkt der Wahl eines BD ist vielmehr abhängig von der Bildung des jeweiligen Ausschusses an sich bzw. der Einbringung eines Wahlvorschlags. Der Wahlakt gilt insoweit regelmäßig für die jeweils restliche Dauer der Wahlperiode.


  1. Andere Gremien wie z. B. Widerspruchsbeirat in Sozialhilfeangelegenheiten, JHA oder der Integrationsausschuss (sic!) werden auf diese Weise zusammengesetzt. 

  2. Die BVV sollte sich insgesamt nicht die „Blöße“ geben, Personen zu wählen, die die persönlichen Voraussetzungen nicht erfüllen. Daher ist in jedem Fall zwischen Einbringung des Wahlvorschlags und Wahl in der BVV eine entsprechende Überprüfung erforderlich. In diesem Zusammenhang ist jedoch eine formlose schriftliche Erklärung der vorgeschlagenen Person, dass die Voraussetzungen erfüllt sind, als hinreichend anzusehen, wenn sie zuvor entsprechend unterrichtet wurde. Dies gilt zu jedem Zeitpunkt während der Wahlperiode. 

  3. Als Personen mit Migrationsgeschichte gelten nach § 3 Absatz 1 PartMigG Personen mit Migrationshintergrund, Personen, die rassistisch diskriminiert werden und Personen, denen ein Migrationshintergrund allgemein zugeschrieben wird. Diese Zuschreibung kann insbesondere an phänotypische Merkmale, Sprache, Namen, Herkunft, Nationalität und Religion anknüpfen. 

  4. Srocke, Anmerkung zu § 21 Abs. 1 BezVG - alte Fassung - aufgrund des unverändertenÄnderung vom 30.09.2019[/mark] Wortlauts der Vorschrift. 

  5. Dieser Ausschluss gilt für jeden Fall: Kritik der Fraktion, die den Wahlvorschlag eingebracht hatte, an der politischen Haltung eines BD in einem Ausschuss bis zur Änderung der Mehrheits- und Stärkeverhältnisse in der BVV oder der Auflösung der Fraktion an sich, die mit einer Verschiebung der Ausschusssitze einherginge. 

Ottenberg/Wolf | Praxiskommentar | (30.09.2022)