§ 7a Rat der Vorsteherinnen und Vorsteher

1. Die Bezirksverordnetenvorsteherinnen und Bezirksverordnetenvorsteher bilden den Rat der Vorsteherinnen und Vorsteher.

  1. Die Regelung bildet die gesetzliche Basis für eine formell gestaltete überbezirkliche Interessenvertretung der zwölf BVV im RdV. Sie ist zudem Voraussetzung für eine normative Aufgabenzuschreibung einer „förmliche(n) Einbindung und Beteiligung (…) bei (der Änderung von Vorschriften), die mittel- oder unmittelbar Zuständigkeiten und Aufgaben der BVV betreffen“1. Zuvor wurde sie lediglich (informell) in einer Arbeitsgemeinschaft wahrgenommen2. Zwar nicht gesondert vom Gesetzgeber angesprochen, ist dennoch davon auszugehen, dass auch für dieses Gremium die Regelung zur Abwesenheitsvertretung durch d. stellvertretenden BV-Vorst. anzuwenden ist.

  2. Der RdV ist überwiegend kein beschließendes Organ. Gegenstand der Beratung ist vielmehr der aus der Vertretungskompetenz der BVV (ausführlich § 7) abgeleitete unabhängige Gedankenaustausch über alle Verfahren, besondere Vorkommnisse und politische Ereignisse von überbezirklichem Interesse. Im Hinblick darauf ist diese Erörterung regelmäßig von einem überparteilichen Ansatz gekennzeichnet und insoweit auf Konsens zwischen den jeweiligen politischen Kräften angelegt. Der RdV bietet zudem eine potenzielle Möglichkeit, Verständigungen über eine einheitliche Praxis des bezirksverwaltungsrechtlichen Normenvollzugs für die BVV im Rahmen der Wahrnehmung dieser Bezirksaufgabe als Ganzes zu erzielen3.

  3. Chancen und Grenzen des RdV stehen im Hinblick auf die ehrenamtliche Stellung der BV-Vorst. in einem nahen Zusammenhang mit den dort wirkenden Persönlichkeiten. Dieser Umstand darf bei der Beurteilung der normativ ausgestalteten Verhältnisse zu im Übrigen hauptamtlichen Strukturen, sei es der RdB, sei es das Abgeordnetenhaus, nicht aus dem Blick genommen werden.

2. Dem Rat der Vorsteherinnen und Vorsteher ist Gelegenheit zu geben, im Rat der Bürgermeister (§§ 14-19 des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes) zu den grundsätzlichen Fragen der Gesetzgebung und Verwaltung Stellung zu nehmen, soweit sie den Organisationsbereich der Bezirksverordnetenversammlungen betreffen. Dies gilt nicht für Gesetzesanträge aus der Mitte des Abgeordnetenhauses.

  1. Den Bezirken ist die Möglichkeit zu geben, zu den grundsätzlichen Fragen der Verwaltung und Gesetzgebung Stellung zu nehmen. Forum dieses partizipativen Elements ist - dem Prinzip der zweistufigen Exekutive folgend - der RdB (Art. 68 Abs. 1 und 2 VvB). Die einfachgesetzliche Ausgestaltung dieser Beteiligung berücksichtigt beide Bezirksorgane (ausführlich § 2) und beachtet die strukturelle Verschiedenheit ihrer Aufgabenstellung4. Dies schließt nach Satz 1 zuständigkeitsrechtlich den RdV ein.

  2. Es ist gerechtfertigt und im Rahmen der Beteiligung der Bezirke an der organisationsrechtlichen Gestaltung ihres Wirkungsrahmens sinnvoll, Belange des Organs BVV nicht allein dem (von ihr gewählten) anderen Organ BA, zudem beschränkt auf d. BzBm, zu überlassen. Das betrifft insbesondere Materien des Selbstorganisationsrechts der von der Einwohnerschaft gewählten Vertretung. In dieser Hinsicht identifiziert der RdB regelmäßig ein deutliches Qualitätsdefizit5.

  3. Das Recht zur Abgabe einer Stellungnahme ist auf den „Organisationsbereich“ der BVV beschränkt. Diese Beteiligung bezieht sich ausschließlich auf ihre Zuständigkeit und umfasst insbesondere unmittelbar die verfassungs- und einfachrechtlichen Organisationsvorschriften. Darüber hinaus sind jedoch alle normativen Initiativen eingeschlossen, die bei der Aufgabenwahrnehmung der BVV berührt sind. Insoweit umfassen „grundsätzlichen Fragen der Gesetzgebung und Verwaltung“ auch Modifikationen des Fachrechts. In diesem Zusammenhang ist allerdings davon auszugehen, dass nicht etwa alle Materien, zu der die BVV Ersuchen oder Empfehlungen (ausführlich § 13) an das BA richten dürfte, eingeschlossen sind. Vielmehr beschränkt sich die Beteiligungskompetenz des RdV auf Angelegenheiten, die das Entscheidungsrecht oder das Recht der BVV, ehrenamtlich tätige Personen zu wählen (ausführlich §§ 12, 16), berühren6.

  4. Die praktische Ausgestaltung der Einbeziehung erfolgt über das Teilnahmerecht einer Vertretung des RdV im RdB (§ 15 Abs. 3 AZG). Es umfasst Rede- und Antragsrecht, jedoch kein Stimmrecht und ist in struktureller Hinsicht etwa vergleichbar mit den Rechten fraktionsloser BV in Ausschüssen der BVV (ausführlich § 9).

  5. Satz 2 bildet eine weitere Einschränkung zur Abgabe einer Stellungnahme: Obwohl nicht nur der Senat, sondern auch das Parlament (sowie die Einwohnerschaft im Wege eines Volksbegehrens) über ein Normsetzungsinitiativrecht verfügen (Art. 59 Abs. 2 VvB), wird dem RdV eine Stellungnahme zu Gesetzesinitiativen aus der Mitte des Abgeordnetenhauses ohne Begründung verwehrt7. Diese Regelung ist jedoch im Spannungsfeld zur spezielleren Norm über die Rechte des RdB auszulegen. Danach verfügt der RdV nach § 18 AZG generell über das Recht, Vorlagen an den RdB einzubringen, soweit der Organisationsbereich der BVV betroffen ist. In diesem Zusammenhang wäre eine Verzögerung der Gesetzgebung nicht zu besorgen: Eine Vorlage des RdV wird insoweit in den RdB eingebracht und ggf. in einer einheitlichen Stellungnahme gegenüber dem jeweiligen Adressaten berücksichtigt.

3. Der Rat der Vorsteherinnen und Vorsteher kann eine Geschäftsstelle einrichten.

  1. Die Regelung berücksichtigt den ehrenamtlichen Status der BV-Vorst. Insoweit kann der RdV zur entsprechenden Unterstützung eine Geschäftsstelle bestimmen. Nach Sinn und Zweck der Regelung bietet sich der Bezirk an, aus dem d. Vorsitzende dieses Gremiums entstammt (Büro der BVV). Die Frage der Kosten bleibt offen. Eine erweiterte Finanzierung hauptamtlicher Strukturen ist in der Norm jedoch nicht hinterlegt.

4. Das Nähere regelt die Geschäftsordnung.

  1. Dem Wortlaut ist zu entnehmen, dass sich der RdV eine GO zu geben hat. In ihr sind weitere Verfahrensfragen zu regeln, wie sie in Anlehnung an die GO des RdB für erforderlich gehalten werden8.

  1. Stellungnahme der AG RdV an den Vorsitzenden des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung des Abgeordnetenhauses vom 14. Mai 2021 anlässlich der Beratung der der Vorlage - zur Beschlussfassung - über das Gesetz zur Änderung des Bezirksverwaltungsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetze vom 6. Januar 2021 (18/3283). 

  2. Dabei handelte es sich um die „Arbeitsgemeinschaft Rat der Vorsteherinnen und Vorsteher (AG RdV)“, die seit Jahrzehnten regelmäßig zu Beginn einer Wahlperiode als freiwilliger Zusammenschluss kreiert wurde. 

  3. Umfasst sind in diesem Zusammenhang z. B. Materien, die Standards bei der Durchführung der Einwohnerfragestunde oder einer Einwohnerversammlung setzen. Weitere geeignete Angelegenheiten könnten darüber hinaus im Zusammenhang mit der digitalen Übertragung von Sitzungen (Livestream) oder der personellen Ausstattung der BVV-Büros gesehen werden. Das interne Verfahrensrecht (GO) ist hingegen überwiegend Ausdruck einer bezirksspezifischen 'politischen Kultur' und insoweit häufig nicht für eine Vereinheitlichung über Bezirksgrenzen hinweg geeignet. 

  4. Vgl. Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Linksfraktion und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Sitzung des Hauptausschusses vom 9. Juni 2021 (Rote Nr. 3348C) zur Vorlage - zur Beschlussfassung - über das Gesetz zur Änderung des Bezirksverwaltungsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetze vom 6. Januar 2021 (18/3283). 

  5. Vgl. 'pars pro toto': Stellungnahme des RdB zur Vorlage des Senats - zur Beschlussfassung - über das Gesetz zur Änderung des Bezirksverwaltungsgesetzes zur Sicherstellung der Arbeitsfähigkeit der Bezirksverordnetenversammlungen in außergewöhnlichen Notlagen vom 1. Dezember 2020 (18/3197). 

  6. Beispiele: Eine Beteiligung der RdV am Gesetz über die Einführung des Lobbyregisters beim Abgeordnetenhaus (Lobbyregistergesetz - BerlLG) vom 5. Juli 2021 (GVBl. S. 840) wäre nicht in Frage gekommen, da es ausschließlich das Recht der Abgeordneten ausgestaltet; die Änderung von § 30 Abs. 3 LKG vom 18. September 2011 (GVBl. S. 483) hätte hingegen potenziell ein Recht zur Stellungnahme des RdV ausgelöst, weil der BVV ein dadurch gestalteter jährlicher Erfahrungsbericht der Patientenfürsprecherinnen und -sprecher vorzulegen ist. Bei der Beratung des für die Gestaltung des Stadtraums in jedem Bezirk durchaus bedeutenden Gesetzes zur Anpassung straßenrechtlicher Bestimmungen insbesondere im Hinblick auf das gewerbliche Anbieten von Mietfahrzeugen vom 27. September 2021 (GVBl. S. 1.114) wäre dem RdV eine Stellungnahme versagt gewesen. 

  7. Vgl. Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Linksfraktion und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Sitzung des Hauptausschusses vom 9. Juni 2021 (Rote Nr. 3348C) zur Vorlage - zur Beschlussfassung - über das Gesetz zur Änderung des Bezirksverwaltungsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetze vom 6. Januar 2021 (18/3283), der unter Hinweis auf ein redaktionelles „Versehen“ von den Antragstellerinnen und Antragstellern in dieser Sitzung 'auf Zuruf' durch Ersetzung des Wortes „auch“ durch das Wort „nicht“ modifiziert wurde (Wortprotokoll 92/18). 

  8. Folgende Materien erscheinen z. B. regelungsbedürftig: Abwesenheitsvertretung, Vorstand, Hinzuziehung Dritter, Bildung von Arbeitsgruppen, Einberufung, ordentliche und außerordentliche Sitzungen, Fristen, Beschlussfähigkeit, Abstimmungsquoren, Vertraulichkeit und Unterrichtung der Öffentlichkeit, Niederschriften. 

Ottenberg/Wolf | Praxiskommentar | (01.01.2022)