Vorbemerkung Anhang

§ 1
Aufgaben und Rechtsstellung

  1. Der JHA kann alle Angelegenheiten der Jugendhilfe zum Gegenstand seiner Beratung machen (§ 71 Abs. 2 SGB VIII, § 35 Abs. 2 Satz 1 AG KJHG), er hat eine anregende und fördernde Befassungskompetenz in allen Bereichen der Bezirkspolitik, die Kinder, Jugendliche und ihre Familien berühren.

  2. Der JHA nimmt sein gesetzliches Entscheidungsrecht mit dem Ziel wahr, im Einvernehmen mit den im Bezirk wirkenden Trägern der freien Jugendhilfe sowie der Verwaltung des Jugendamts positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu schaffen. Ihm obliegen zugleich alle Aufgaben des Ausschusses der BVV für den Geschäftsbereich Jugend des Bezirksamts (§ 33 BezVG und § 35 Abs. 1 Satz 1 AG KJHG).

§ 2
Mitglieder

  1. Die Mitglieder üben ihre Tätigkeit im Rahmen des Gesetzes nach ihrer freien, nur durch die Rücksicht auf das Gemeinwohl bestimmten Gewissensüberzeugung aus. Beratung und Entscheidungen sollen allein von ihrer Sachkunde und persönlichen Überzeugung getragen werden. Sie sind an Aufträge und Weisungen nicht gebunden. Im Rahmen der gewissenhaften Erfüllung ihrer Obliegenheiten sind die Mitglieder zur Verschwiegenheit verpflichtet, soweit ihnen schutzwürdige Informationen in nichtöffentlicher Sitzung, durch Akteneinsicht oder anderweitig offenbart werden.

  2. Befangenheit eines Mitgliedes liegt vor, wenn über den Förderantrag eines Trägers beraten und abgestimmt werden soll, zu dem das Mitglied in einer § 16 SGB X entsprechenden Beziehung steht oder entsprechend § 17 SGB X eine Interessenlage besteht, die eine Besorgnis der Befangenheit begründet (unmittelbare Befangenheit).

  3. Besorgnis der Befangenheit von Mitgliedern bei der Beratung und/oder Abstimmung über Anträge anderer Träger (mittelbare Befangenheit) setzt eine konkrete Konkurrenzsituation nach Absatz 4 mit dem Träger voraus, zu dem das Mitglied in einer unter Absatz 2 beschriebenen Beziehung steht.

  4. Eine Konkurrenzsituation im Sinne des Absatzes 3 liegt vor, wenn
    a) die Entscheidung für einen Träger in der Folge eine Entscheidung gegen einen oder mehrere andere Träger bedeutet, die einen Antrag auf Förderung eines inhaltlich vergleichbaren Projekts gestellt haben oder
    b) die Entscheidung für einen Träger in der Folge eine Entscheidung gegen einen oder mehrere andre Träger bedeutet, die einen Antrag auf Förderung innerhalb desselben Schwerpunktbereiches gestellt haben, oder
    c) die Entscheidung für einen Träger aus sonstigen Gründen (z. B. bei der Förderung von finanziell besonders bedeutsamen Projekten) mit hoher Wahrscheinlichkeit in unmittelbarer Folgewirkung zu einer Entscheidung gegen einen anderen oder mehrere andere Träger führt.

  5. Ist eine Befangenheit gegeben, so nimmt die persönliche Vertreterin bzw. der persönliche Vertreter des jeweiligen Mitglieds am weiteren Verfahren teil, soweit diese/r nicht selbst befangen ist.

  6. Die Mitglieder des JHA verständigen sich nach der Konstituierung über die zu benennenden Tatsachen, die für die Frage der Befangenheit maßgeblich sein könnten. Die oder der Vorsitzende unterbreitet hierzu einen Fragenkatalog, den alle Mitglieder nach Genehmigung durch den JHA zu beantworten haben. Die Zusammenstellung wird in geeigneter Form veröffentlicht.

  7. Jedes Mitglied ist jederzeit verpflichtet, von sich heraus auf Tatbestände zu verweisen, aus denen eine Besorgnis der Befangenheit folgen könnte. Jedes Mitglied hat darüber hinaus das Recht, auf solche Tatbestände bei anderen Mitgliedern hinzuweisen und eine Entscheidung nach Absatz 8 zu beantragen.

  8. Der Ausschuss entscheidet, ob eine Besorgnis der Befangenheit vorliegt, soweit sich ein Mitglied nicht selbst für befangen erklärt. Der Betroffene darf an der Entscheidung nicht mitwirken. In den Fällen der Befangenheit darf das befangene Mitglied auch an unmittelbar verfahrenserheblichen Beratungen nicht teilnehmen. Hierzu gehören Beratungen, die unmittelbar im Vorfeld der Entscheidung liegen. Danach ist eine Teilnahme an der Beratung zu Anträgen, die noch am gleichen Tag zur Abstimmung gestellt werden, regelmäßig nicht zulässig.

§ 3
Vorsitz

  1. Die von den Fraktionen vorgeschlagenen Personen für den Ausschussvorstand (Vorsitz und weitere Mitglieder) werden vom JHA in seiner konstituierenden Sitzung gewählt. Geheime Abstimmung erfolgt, wenn es von einem stimmberechtigten Mitglied verlangt wird.

  2. Der JHA kann über die von der BVV festgelegte Zahl der Mitglieder des Ausschussvorstands bis zu zwei weiteren Mitgliedern ausschussinterne Aufgaben zuordnen. Die bezirksverwaltungsrechtliche Vertretung nach außen bleibt unberührt.

§ 4
Befassungs- und Entscheidungsrecht

  1. Im JHA werden insbesondere die gesetzlich herausgestellten Angelegenheiten der Jugendhilfe befasst (Erörterung aktueller Problemlagen junger Menschen und ihrer Familien sowie Anregungen und Vorschläge für die Weiterentwicklung der Jugendhilfe; Jugendhilfeplanung und Förderung der freien Jugendhilfe). Darüber hinaus behält sich der JHA vor, über
    a) Veränderungen der Verwaltungsstruktur des Jugendamts, vor allem im Hinblick auf die Sozialraumorientierung;
    b) Anträge auf Anerkennung eines Trägers der freien Jugendhilfe mit bezirklichem Wirkungskreis;
    c) Anträge auf Förderung eines Trägers der freien Jugendhilfe
    zu beraten und zu entscheiden. Zur qualifizierten Wahrnehmung dieser Aufgaben ist die Verwaltung des Jugendamts verpflichtet, rechtzeitig und umfassend entsprechende Informationen und Vorlagen zu unterbreiten.

  2. Vor einer Entscheidung der BVV über den Bezirkshaushaltsplanentwurf ist dem JHA rechtzeitig Gelegenheit zur Beratung zu geben. Die Verwaltung des Jugendamts hat dem JHA den Entwurf für den Bereich der Jugendhilfe (Einzelplan 40) im Regelfall vor der Einbringung in das Bezirksamt vorzulegen. Das Anhörungsrecht des JHA vor einer Entscheidung der BVV über den Bezirkshaushaltsplanentwurf bleibt unberührt.

  3. Vor der Einbringung einer Vorlage des Bezirksamts zur Entscheidung der BVV über die Errichtung, Übernahme und Auflösung einer bezirklichen Einrichtung der Jugendhilfe oder ihre Übertragung an einen anderen Träger ist dem JHA rechtzeitig Gelegenheit zur Beratung zu geben. Die Verwaltung des Jugendamts hat dem JHA im Regelfall vor dem Beschluss des Bezirksamts alle entscheidungserheblichen Informationen zu geben und Unterlagen vorzulegen. Beabsichtigt die BVV, ein Entscheidungsrecht in dieser Hinsicht aus eigener Willensbildung wahrzunehmen, wird die Angelegenheit unbeschadet eines Überweisungsbeschlusses der BVV im JHA unverzüglich auf die Tagesordnung gesetzt.

§ 5
Verhältnis zur Verwaltung des Jugendamts

  1. In Grundsatzangelegenheiten der Jugendhilfe entscheidet der JHA, ggf. hat die Verwaltung des Jugendamts entsprechende Beschlussvorlagen einzubringen. In Geschäften der laufenden Verwaltung handelt die Jugendhilfebehörde unter Beachtung der Entscheidungen des JHA. Als Geschäfte der laufenden Verwaltung (§ 70 Abs. 2 SGB VIII) sind solche anzusehen, die zu einer ungestörten und ununterbrochenen Fortdauer der Verwaltungstätigkeit notwendig sind, es sei denn, dass es sich um einmalige (d. h. außergewöhnliche) Geschäfte oder solche von erheblicher Bedeutung für den Bezirk handelt. Entscheidungen und Rechtshandlungen auf Grund einzuhaltender Rechts- und Verwaltungsvorschriften sind Geschäfte der laufenden Verwaltung.

  2. Die Verwaltung des Jugendamts stellt den Mitgliedern des JHA (ggf. elektronisch) eine Zusammenstellung der geltenden jugendhilferechtlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften (Bundes- und Landesrecht) zur Verfügung. Soweit die Verwaltung des Jugendamts (z. B. über den Rat der Bürgermeister) an Änderungsverfahren von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften beteiligt ist, wird der JHA rechtzeitig in geeigneter Form einbezogen.

  3. Die Verwaltung des Jugendamts als Träger öffentlicher Belange (§ 4 BauGB) legt dem JHA im Rahmen einer Bauleitplanung jede Aufforderung zu einer Stellungnahme und ihren Entwurf vor.

  4. Die Verwaltung des Jugendamts fordert bei der für Spielplätze zuständigen Abteilung die vollständigen Prüfergebnisse der jährlichen Hauptuntersuchung öffentlicher Spielplätze (Nr. 3.5 der Ausführungsvorschriften zu §§ 7 und 10 des Kinderspielplatzgesetzes über die Verkehrssicherheit auf öffentlichen Kinderspielplätzen vom 2. August 2010) an und legt sie dem JHA vor.

  5. Die Verwaltung des Jugendamts legt dem JHA in regelmäßigen Abständen eine Zusammenstellung vor, die Investitionen oder andere Baumaßnahmen des Bezirks im Straßenausbau, bei Platzgestaltungen usw. mit einer Bausumme von über 0,5 Mio Euro und Planungen anderer besonderer Verkehrsmaßnahmen (z. B. Geschwindigkeitsbegrenzungen, Parkraumbewirtschaftung) beinhaltet, sofern Belange von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien in bedeutendem Maß berührt sind. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn die Maßnahmen oder Planungen in unmittelbarer Nähe von Einrichtungen der Jugendhilfe oder Schulen realisiert werden sollen.

  6. Die Verwaltung des Jugendamts unterbreitet dem JHA vor der Aufhebung von qualifizierten Sperrvermerken, Auflagenbeschlüssen bzw. der Genehmigung über- oder außerplanmäßiger Mittel im Jugendhilfeetat außerhalb der Erfüllung gesetzlicher Ansprüche die maßgeblichen Entscheidungsgrundlagen.

  7. Nimmt der JHA sein Anhörungsrecht vor der Berufung einer Leiterin bzw. eines Leiters der Verwaltung des Jugendamtes wahr, bestimmt er zuvor rechtzeitig das Verfahren und den Umfang.

§ 6
Einberufung des Jugendhilfeausschusses

  1. Der JHA tritt nach Bedarf, mindestens sechsmal im Kalenderjahr, zusammen. Legt die BVV für die Sitzungen ihrer Ausschüsse eine Jahresterminplanung fest, ist sie allen Mitgliedern in geeigneter Form zur Kenntnis zu geben. Abweichungen sind zulässig, sofern sich kein Widerspruch erhebt.

  2. In der Regel wird der JHA von der oder dem Vorsitzenden bzw. bei deren oder dessen Verhinderung von der Stellvertretung einberufen. Die Einladung ergeht regelmäßig an alle ordentlichen und stellvertretenden Mitglieder. Der JHA kann den Adressatenkreis erweitern. Beizufügen sind die Beratungsunterlagen. Tischvorlagen sollen die Ausnahme bilden.

  3. Auf Verlangen einer Fraktion, dem für Jugend zuständigen Mitglied des Bezirksamts, der Verwaltung des Jugendamtes oder zumindest von drei stimmberechtigten oder drei beratenden Mitgliedern ist der JHA unverzüglich einzuberufen (§ 71 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII).

  4. In der Übergangsphase zwischen der Wahl zur BVV und der Bildung des neuen Ausschusses durch die BVV (§ 35 Abs. 3 Sätze 2 und 3 AG KJHG) kann der JHA Personen, die in der neuen Wahlperiode voraussichtlich Mitglieder sein werden, als Gäste hinzuziehen. Ein von der BVV der neuen Wahlperiode neu gewähltes Mitglied des Bezirksamts für den Geschäftsbereich Jugend tritt die beratende Funktion unmittelbar an und ist einzuladen (§ 14 Abs. 1 BezVG).

§ 7
Tagungsweise

  1. Die Sitzungen des JHA sind öffentlich, soweit nicht das Wohl der Allgemeinheit, berechtigte Interessen einzelner Personen oder schutzbedürftiger Gruppen entgegenstehen (§ 71 Abs. 2 Satz 4 SGB VIII). Verhandlungen des JHA, die solche Interessen berühren, sollen anonymisiert erfolgen, um den Ausschluss der Öffentlichkeit zu vermeiden.

  2. Auf Antrag eines Mitglieds hat der JHA in einer bestimmten Angelegenheit über den Ausschluss der Öffentlichkeit zu befinden. Über diesen Antrag wird in nichtöffentlicher Sitzung beraten und abgestimmt.

§ 8
Tagesordnung

  1. Jede Sitzung umfasst den Tagesordnungspunkt Mitteilungen, untergliedert in
    a) des oder der Vorsitzenden aus der Geschäftsführung;
    b) der Verwaltung
    sowie den Tagesordnungspunkt Fragen an die Verwaltung. In jeder ordentlichen Sitzung soll zumindest ein Träger der freien Jugendhilfe aus dem Kreis der Mitglieder das Recht der Berichterstattung erhalten. Der JHA kann weitere ständige Rubriken festlegen.

  2. Die Tagesordnung soll von der oder dem Vorsitzenden mit der Verwaltung des Jugendamtes abgestimmt werden.

§ 9
Sitzungsverfahren

  1. Der oder die Vorsitzende bzw. der oder die stellvertretende Vorsitzende leitet die Sitzung; im Einzelfall kann vom Ausschuss eine andere Person bestimmt werden.

  2. Die Sitzordnung gewährleistet eine erkennbare Trennung zwischen Mitgliedern und anderen Personen im JHA. Abstimmungen erfolgen durch Handzeichen; namentliche oder geheime Abstimmungen sind nicht zulässig, soweit die Geschäftsordnung keine andere Regelung trifft.

  3. Eine Vorlage, die nach einem Beschluss der BVV an den JHA überwiesen wurde, oder ein anderer zur Beratung angemeldeter Gegenstand wird auf Wunsch der Initiatoren oder von zumindest drei Bürgerdeputierten vertagt. Im Übrigen befindet die Mehrheit des Ausschusses über einen Vertagungsantrag.

  4. Über die Anhörung von Sachverständigen entscheidet der JHA, nachdem die Verwaltung des Jugendamts über die Kosten sowie den haushaltsmäßigen Nachweis unterrichtet hat. Die Beteiligung von sachkundigen Personen und Betroffenen an der Beratung im JHA ist erwünscht. Rederecht soll eingeräumt werden. Die Sprecher/innen der Arbeitsgemeinschaften nach § 78 SGB VIII haben Rederecht. Weiteres kann der JHA gesondert beschließen.

§ 10
Niederschrift

Die Niederschriften über die Sitzungen werden von einer Dienstkraft der Verwaltung des Jugendamts gefertigt. Zumindest die Entscheidungen des JHA sind wörtlich aufzunehmen. Die Niederschriften sind den Mitgliedern jeweils vor der nächsten Sitzung zuzuleiten.

§ 11
Änderungen der Geschäftsordnung

Änderungen der Geschäftsordnung können nur nach zweimaliger Beratung im JHA mit einfacher Mehrheit der anwesenden stimmberechtigten Mitglieder beschlossen werden.

§ 12
Inkrafttreten, Abweichungen, Evaluation

  1. Diese Geschäftsordnung tritt am Tag nach ihrer Beschlussfassung in Kraft. Der JHA ermächtigt die oder den Vorsitzenden, den Wortlaut in korrekter Form zu veröffentlichen.

  2. Der JHA kann von den vorstehenden Regelungen im Einzelfall abweichen, soweit Widerspruch ausbleibt.

  3. Spätestens nach zwei Jahren wird im JHA eine Überprüfung durchgeführt.

Ottenberg/Wolf | Praxiskommentar | (01.01.2022)